Schauspiel/Portrait Alles auf eine Karte: Vasiliki Roussi als Edith Piaf in „Piaf“ im Trierer Theater

Trier · „Wenn man etwas ganz fest will, dann setzt sich das ganze Universum dafür ein, dass man es auch erreicht.“ Paulo Coelhos Zitat aus seinem „Handbuch des Kriegers des Lichts“ hat sich die Schauspielerin Vasiliki Roussi zum Leitspruch gewählt. Und in ihrem Leben hat es auf wunderbare Weise auch geklappt. Zurzeit ist sie als Edith Piaf in „Piaf“ im Trierer Theater zu sehen.

 Vasiliki Roussi hat Edith Piaf schon in drei Stücken verkörpert. Derzeit sorgt sie am Trierer Theater für manch ausverkaufte Vorstellung. 

Vasiliki Roussi hat Edith Piaf schon in drei Stücken verkörpert. Derzeit sorgt sie am Trierer Theater für manch ausverkaufte Vorstellung. 

Foto: Marcus Staab

Schließt man die Augen, dann könnte es fast die echte sein. Die glasklare, metallisch-schneidende Stimme, der etwas wehleidige, selbstmitleidige Tonfall – das alles klingt verblüffend nach ihr. Öffnet man die Lider, sieht man die kleine, gebückte Frau, vom Leben gegerbt, im hartweißen Licht des Scheinwerfers, schwarz von den Schuhen bis zum (grau durchsetzten) Haar, mit den Fingern gestikulierend, als greife sie nach etwas, von dem sie selbst am besten weiß, dass sie es nicht halten kann. Und dann, am Ende des Chansons, dieser lauernde, misstrauische, fast kämpferische Blick auf die Bestie Publikum, die sie – wieder einmal erfolgreich – gebändigt hat.

Aber nein, es ist nicht Edith Piaf, die (beinahe) Nationalheilige der (ehemaligen) Grande Nation. Es ist nicht einmal eine Französin. Es ist Vasiliki Roussi, in Athen geboren, in Deutschland aufgewachsen, in Trier derzeit auf der Bühne. Als Piaf in „Piaf“, dem gleichnamigen Lebensbericht der britischen Autorin Pam Gems. Von der Physiognomie (der Maske sei Dank) und der Statur her gibt es eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen der griechischen Schauspielerin und Sängerin, die diesen Part nicht zum ersten Mal spielt. Tatsächlich hat sie die französische Chansonnière in drei verschiedenen Stücken verkörpert: In Pit Holzwarths Drama „Edith Piaf“ am Theater  Lübeck und im Tanzdrama „Piaf – La vie en rose“. Die Trierer Aufführung, in Stuttgart entstanden, beschreibt Roussi als einen „theatralischen Marathonlauf, weil ich ,Piaf‘ von Karrierebeginn bis zu ihrem Tod spiele – und nicht nur dieses Leben in seiner wahnsinnigen Dimension, sondern auch noch vierzehn Chansons ,hinknalle‘. Ich kenne kein Stück, das für eine Schauspielerin eine solche Herausforderung darstellt.“ Und nach jeder Vorstellung ist sie „vollkommen platt“.

Drei Mal Piaf, betrachtet und verkörpert aus drei verschiedenen Perspektiven – wohl keine Figur kennt Vasiliki Roussi besser als diese Sängerin. Wäre diese Frau eine Freundin für sie gewesen? Die Antwort kommt prompt. „Ja, das wäre sie. Nicht im Sinne von ‚beste Freundin‘, aber als Seelenverwandte. Die Leidenschaft, die sie lebte, die teile ich mit ihr. Wahrscheinlich hätte man sich auch oft gestritten, aber das Ziel dieser Streitigkeiten wäre immer die Wahrheit gewesen, und dafür streite ich mich gerne.“ Das, was sie auch in ihrem Leben und bei der Arbeit beherzigt: „Man muss immer Farbe bekennen. Dann ist es eine Herausforderung und etwas Besonderes, auf der Bühne zu stehen. Es ist ein Privileg, sich öffentlich zu trauen, etwas zu riskieren – auch auf die Gefahr hin, zu scheitern. Aber wenigstens hat man etwas Extremes gewagt. Dafür lohnt sich das Leben.“ Und dann lacht sie, als ob ihr das selbst ein wenig zu pathetisch klänge.

Etwas riskieren und extreme Dinge tun – darin kennt Vasiliki Roussi sich sehr gut aus. Denn sie hat selbst alles auf eine Karte gesetzt, um ihr Ziel zu erreichen: als Sechzehnjährige die Schule abgebrochen, auf der sie kreuzunglücklich war und sich auf Anraten eines Lehrers an der Schauspielschule des „Theaters an der Wien“ zu bewerben, damals geleitet von Peter Weck. Ohne Wissen der Eltern schickte sie eine Bewerbung nach Österreich, in dem sie mit ihrer „achtjährigen Ballett- und Gesangsausbildung“ prahlte – „alles gelogen natürlich!“ Doch die Flunkerei funktionierte; sie wurde aufgenommen, und wahrscheinlich war es die Chuzpe der Bewerberin, die die Lehrer beeindruckte: Die merkten selbstverständlich sofort, dass da keine Spur von Ausbildung irgendeiner Art vorhanden war. Mit der gleichen Courage ergatterte sie bei einer weiteren Audition, an der ausschließlich die Abschlussklasse der Schule teilnehmen durfte, als blutige Anfängerin eine Rolle in „Cats“. Dem verblüfften Weck erklärte sie: „Ich wollt’s einfach mal versuchen, denn ich würde so gerne mitmachen.“ Sie durfte mitmachen. Und zitiert den eingangs erwähnten Satz des brasilianischen Schriftstellers Coelho, dessen lebendiger Beweis sie geworden ist.

Wissen die Eltern denn inzwischen, dass sie Schauspielerin ist? „Ja, doch, sie haben es irgendwann herausgefunden“, lacht sie. „Mein Vater hat mich leider nicht in Stuttgart auf der Bühne sehen können; er ist vorher gestorben. Aber für meine Mutter war es eine Offenbarung. Da stand ich nun da oben als Beweis dafür, dass meine Eltern, die vor der Diktatur in eine ungewisse Zukunft nach Deutschland geflüchtet sind und in Stuttgart ein hartes Leben führen mussten, alles richtig gemacht hatten.“

Eine besondere Premiere steht Vasiliki Roussi, die heute mit ihrem Mann, einem Anwalt, und zwei Söhnen (17 und zwölf) in Berlin lebt, Anfang kommenden Jahres bevor: Zum ersten Mal gibt sie in Thessaloniki ein Konzert mit Filmmusiktiteln. Durchaus möglich, dass sie dann nicht nur von Berlin, sondern auch von Athen aus nach Trier einfliegen muss. Denn „Piaf“, deren Vorstellungen bis zum Jahresende so gut wie ausverkauft sind (eine zusätzliche wurde bereits für den 29. Dezember programmiert), geht 2019 in die Verlängerung.

Karten gibt es an der Theaterkasse, Telefon 0651/7181818.

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