Kultur Starke Frau im Schatten der Männer

Trier · „Tussy – Drei Zeiten Leben“: Emanzipationsdrama über Eleanor, die jüngste Tochter von Karl Marx.

 Gegenwart trifft Zukunft: Die „ältere“ Tussy (Monika Wender, rechts) in einem imaginären Gespräch mit der realen (Elke Reiter).

Gegenwart trifft Zukunft: Die „ältere“ Tussy (Monika Wender, rechts) in einem imaginären Gespräch mit der realen (Elke Reiter).

Foto: TV/Karsten Müller

Eine „Weltbürgerin“ sei geboren worden, soll Karl Marx nach ihrer Geburt einem Freund geschrieben haben. Wie recht er hatte. Eine Frau, sprachlich versiert, eine intelligente Rednerin, eine Politikerin – wie er Sozialistin –,  eine Journalistin, Autorin. Und doch nur wenig bekannt.

Eigentlich wollte Regisseur und Theatermacher Karsten Müller ein Stück über Jenny, die Frau von Karl Marx, inszenieren. Denn starke Frauen – das ist eines seiner Lieblingsthemen. Aber bei einem Besuch im Museum Karl-Marx-Haus haben die Museumspädagoginnen Jeannine Huster und Margret Dietzen ihm den Tipp gegeben: „Schau dir die jüngste Tochter an: Tussy.“

Eine entscheidende Empfehlung, denn: „Ich habe sie bis dahin nicht gekannt“, sagt Müller. Er hat recherchiert, das Standardwerk „Tussy Marx. Das Drama der Vatertochter“ von  Eva Weissweiler gelesen. „Ich fand es hochgradig faszinierend.“ Das Buch und die Frau. So faszinierend, dass er ihr mit „Tussy – Drei Zeiten Leben“ ein eigenes Theaterstück widmet, das am Freitag, 17. August, um 20 Uhr Premiere in der Trierer Tuchfabrik feiert.

„Das Spannende an Tussy ist, dass sie über ihren Vater weit hinausgeht“, sagt Müller. „Sie hat etliche Dinge korrigiert, die ich als Fehler im Werk ihres Vaters betrachte.“

Wie etwa die Rolle der Frau im ausgehenden 19. Jahrhundert – Jenny Julia Eleanor Marx, genannt Tussy oder auch Lady Liberty, wurde am 16. Januar 1855 in London geboren. „Für die Männer war die Frauenfrage nicht relevant, weil sich die im Sozialismus von selbst regeln sollte.“ Das habe Tussy zunächst akzeptiert. „Aber dann hat sie es zunehmend hinterfragt.“ Man könnte sie als Feministin bezeichnen, sagt Müller, auch wenn es den Begriff damals noch nicht gegeben habe.

Das zweite Korrektiv: „Marx wollte von seinen jüdischen Wurzeln nichts mehr wissen, sagt Müller. „Und auch das korrigiert die Tochter.“ Sie habe sogar versucht, antisemitische Texte ihres Vaters verschwinden zu lassen. „Und sie erklärt sich selbst zur Jüdin.“

Eine toughe Frau, ohne Zweifel. Doch warum ist so wenig über sie bekannt? „Tussy ist tragisch“, sagt Müller, „mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt.“ Sie litt seit ihrer Jugend unter immer wiederkehrenden Depressionen, für die es damals noch keine Heilung gab. Und sie litt unter der damaligen Rolle der Frau. Die hatte in bürgerlichen Kreisen immer hinter ihrem Mann zu stehen, ihn und seine Karriere stets zu fördern.

Und so war es auch im Hause Marx – der Vater war übermächtig.  Als er eine Sekretärin brauchte, wurde sie seine Sekretärin, als die Schwestern jemanden für ihren Nachwuchs brauchten, war sie die Kinderfrau. „Sie hat ihr Leben in den Dienst von anderen gestellt“, sagt Müller. Dafür hat sie ihren Traum, Schauspielerin zu werden, geopfert. Und auch ihr langjähriger Geliebter Edward Aveling – von ihr, obwohl nie verheiratet, als Ehemann bezeichnet – habe massiv von ihr profitiert, sagt Müller. So habe sie Texte und Rezensionen geschrieben und Vorträge gehalten, für die er, nicht sie, bezahlt wurde.

Umsetzen wird Müller die Geschichte der jüngsten Marx-Tochter mit drei Darstellerinnen, mit drei Zeitformen. „Dadurch wird es abstrakt. Wir erzählen Tussys Leben anhand von den Frauen in Tussys Leben“, sagt Müller, Frauen, die in ihrem Leben eine bedeutende Rolle gespielt haben. „Männer kommen nur indirekt vor.“

Elke Reiter spielt die Tussy in der Gegenwart, Mara Heller die jugendliche Eleanor (Vergangenheit), und Monika Wender verkörpert die Zukunft. „Diese ältere Tussy hat es real nie gegeben“, sagt Müller – Eleanor Marx hat sich im Alter von 43 Jahren am 31. März 1898 umgebracht.

Weitere Termine: 26., 30. August, 1., 12. September, jeweils 20 Uhr, kleiner Saal der Tufa. Karten gibt es im TV-Service-Center Trier, unter der TV-Tickethotline 0651/7199–996 sowie unter www.volksfreund.de/tickets

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