Zum Tag der Architektur Wenn deutscher Altbau auf japanisches Flair trifft

Trier · Ein Vorgeschmack auf den Tag der Architektur am Wochenende: Das Trierer Gästehaus „nadabei“ ist dabei und zeigt, was aus Besonnenheit, Ideen und Achtung der Bausubstanz entstehen kann.

Tag der Architektur: Das Trierer Gästehaus „nadabei“
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Tag der Architektur: Das Trierer Gästehaus „nadabei“

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Foto: Foto: Angelika Näckel/Mosella GmbH/Foto: Angelika Näckel

Erhalten oder abreißen? Diese Frage stellt sich so mancher Besitzer eines „alten“ Hauses, wenn es darum geht, die Zukunft der Immobilie zu planen und vor allem zu bezahlen. So erging es auch Lothar Kuntz. Er ist Geschäftsführer der Mosella GmbH, die mitten in Trier das Gästehaus „nadabei“ betreibt.

Wer zu Fuß von der Fußgängerzone aus zwischen Galeria Kaufhof Karstadt und Ex-Karstadt runter in Richtung Pferdemarkt, geht findet es ein Stück unterhalb des Cinemaxx-Kinos auf der rechten Seite in der Moselstraße 9-10. Die meisten Trierer und Trier-Besucher aus dem Umland kennen diese schmale Straße nur, weil sie sie früher oder später auf ihrem Weg in oder aus der Innenstadt durchqueren. Ihre Häuser mitsamt dem „nadabei“ sind ihnen vielleicht noch nie aufgefallen. Während die Touristen, die eine Übernachtung in dem Gästehaus  gebucht haben, auf der Suche nach ihrer Unterkunft gezielt nach seiner weiß-grauen Fassade Ausschau halten, die sie schon von den Fotos aus dem Internet kennen.

Erhalten oder abreißen? Die Frage ist auch längst beantwortet: Aus drei alten Häusern ist das heutige „nadabei und mittendrin“ entstanden, das übrigens seinen Namen trägt, weil seine Gäste nah dabei sind, und dem bewusst das h fehlt, um es ein wenig interessanter zu machen. „Was sind wir schon darauf angesprochen worden“, erzählen Lothar Kuntz und seine Ehefrau Angelika Näckel, die sich um den Betrieb des Gästehauses kümmert, lachend.

Sie hat, daran erinnern sich vielleicht einige, im Erdgeschoss des linken der Häuser das Café „Bagel Sisters“ mit Terrasse im Innenhof betrieben – bis zum Corona-Lockdown 2020 immerhin seit 20 Jahren. Jetzt dient es bis auf weiteres als Frühstücks-Raum für Übernachtungs-Gäste – wenn sie da sein dürfen. Dieses Haus haben die beiden schon 1994 gekauft und umgebaut. Es bildete quasi die Basis des heutigen Ensembles aus insgesamt vier Häusern. Als sich 2012 die Gelegenheit ergab, die zwei benachbarten leer stehenden Häuser samt eines Hauses im Hinterhof zu kaufen, haben sie ohne konkreten Plan zugegriffen, nur mit der vagen Vorstellung daraus vielleicht Studenten-Apartments zu machen.

Die ersten Expertisen zweier Architekten fiel damals deutlich aus: Abriss und anschließender Neubau sei die kostengünstigste Lösung, günstiger als Umbau. Damit hat sich der Bauherr aber nicht zufrieden gegeben. Obwohl die Häuser nicht unter Denkmalschutz stehen, das mittlere stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, das rechte von 1954 und das Hinterhaus aus dem Jahr 1938, setzte er sich mit der zuständigen Behörde in Verbindung, deren Wunsch der Erhalt der gewachsenen kleinteiligen Struktur in dieser Straßenflucht gewesen sei, erinnert er sich. Der Schreinermeister und Innenausbauer prüfte die Bausubstanz, die bis auf Kleinigkeiten und dem Dachstuhl eines der Häuser gut war. So sei allmählich der Weg im Gehen entstanden und die Intention gewachsen, etwas „richtig Gutes“, Nachhaltiges aus den Häusern zu machen und ihre Individualität zu achten. „Jetzt machen wir es richtig und fangen nicht in 20 Jahren noch einmal an“, sagte sich das Ehepaar. So sind zehn Ferienwohnungen und Apartments in den drei „neuen“ alten Häusern entstanden.

Aber zunächst sorgten die hohen Brandschutzauflagen wegen der engen Bebauung und der geplanten kleinen Einheiten für große Herausforderungen. Die zündende Idee, aus der Not eine Tugend zu machen, habe schließlich
das Trierer Architekten-Büro Hein & Pawelke gehabt. Der Fluchtweg wurde zum Konzept, beschreibt
es der Architekt Thomas Hein selbst in einem Video (siehe Info), in dem der Zuschauer vom Dach aus
einen Rundflug durch Innenhof und Räume macht und gut sieht, was gemeint ist. Aus den vorgeschriebenen Rettungswegen sind im Innenhof breite Treppen
geworden, die über eine Galerie
alle Stockwerke und Apartments miteinander verbinden und in
einer für alle Gäste zugänglichen begrünten Dachterrasse auf dem mittleren Vorderhaus münden. Sie ist die Krönung des Fluchtwege-Konzepts und bietet zusammen mit dem begehbaren, bepflanzten Innenhof eine kleine, unverhoffte Oase mitten in der Stadt. Die Brandschutztreppe sei ein Begegnungsgort geworden, der allen Gästen offen steht, erzählen Lothar Kuntz und Angelika Näckel, die sich auch um die Bepflanzungen auf dem Dach und im Innenhof kümmert.

Ein weiterer Clou: In den Räumen hat der Bauherr seinem Know-how und seiner langjährigen Liebe
zur japanischen Kultur freien Lauf gelassen. Die Zimmer sind mit japanischen Shoji-Elementen ausgestattet, die Räume teilen und als Sichtschutz dienen. Die mit speziellem Papier bespannten Holzsprossen-Konstruktionen sind leicht, lichtdurchlässig und sorgen zusammen mit einer stringent schlichten Ausstattung für eine besondere, edle Atmosphäre. Einen ersten Eindruck vermitteln von außen bereits die beiden großen Shoji-Fenster im Erdgeschoss, hinter denen sich der Gemeinschaftsraum verbirgt. Dort sitzen die Gäste hell und dennoch geschützt vor den Blicken der draußen passierenden Fußgänger.

Die „nadabei“-Betreiber freut besonders, wie sich das Bauprojekt Schritt für Schritt entwickelt hat. „Das ist der beste Beweis, dass etwas Sinnvolles entstehen kann, wenn man sich Gedanken macht, statt alles zu zerschlagen“, sagen sie. Die Kosten für die mehrere Jahre dauernde allmähliche Renovierung und Sanierung seien übrigens unter den Schätzungen der Architekten geblieben, die empfohlen hatten alles abzureißen.

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