Interview „Das Werk braucht weder Götter noch Helden“

Trier · Ein Gespräch über die Trierer Neuinszenierung von Giacomo Puccinis Oper „Madama Butterfly“.

 Die „japanische Tragödie“ von Giacomo Puccini feiert am 2. Februar Premiere im Theater Trier.

Die „japanische Tragödie“ von Giacomo Puccini feiert am 2. Februar Premiere im Theater Trier.

Foto: Linda Blatzek

Sie ist bei vielen sehr beliebt und wird doch von einigen als kitschig kritisiert. Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“ ist für Regie und musikalische Leitung immer wieder eine große und schwierige Aufgabe. TV-Mitarbeiter Martin Möller sprach über die Trierer Neuproduktion mit Regisseurin Cornelia Rainer und Generalmusikdirektor (GMD) Jochem Hochstenbach.

Frau Rainer, Herr Hochstenbach, wie viel Prozent von Handlung und Musik in der „Butterfly“ sind einfach nur Kitsch?

Cornelia Rainer: Es kommt darauf an wie man Kitsch definiert.

Jochem Hochstenbach: Wo sind die Grenzen? Was für mich Kitsch ist, muss für den anderen noch keiner sein. Die „Butterfly“ ist für mich kein Kitsch.

Manche Kritiker und manche Musikfreunde in Deutschland sehen das anders. Was tun Sie, um den Eindruck zu vermeiden, das sei eben doch Kitsch?

Rainer: Die Figuren ernst nehmen – in dem, was sie sagen, was sie erzählen und fühlen. Die Dramatik muss man nicht eigens betonen, sie ist dem Werk eingeschrieben.

Also, wenn es überhaupt Kitsch ist, dann jedenfalls lebensnah.

Rainer: Dramatisches Geschehen ist immer eine verdichtete Lebenserfahrung.

Sie sagen: sie gehen analytisch an die Figuren heran. Man könnte ja auch analytisch an die Handlung herangehen. Und sagen: OK, das hier ist ein Zusammenprall der Kulturen. Wo legen Sie in Ihrer Regie den Schwerpunkt? Stehen Personen im Zentrum oder sind es historische oder politische Umstände?

Rainer: Ich versuche das menschliche Drama der Oper auf die Bühne zu bringen. Puccini war ein Theatermensch. Er hat in großen szenischen Klangbildern komponiert. Er ist ein Meister in der Kunst, Handlung und Musik miteinander zu verbinden. Er braucht keine Götter, keine Fabelwesen, keine Helden. Er interessiert sich für den einfachen Menschen und dessen Lebensdramen.

Nun gibt es so etwas ja auch bei Alban Berg. Sehen Sie Verbindungen von der „Butterfly“ zum „Wozzeck“?

Rainer: „Wozzeck“ ist ein gutes Beispiel. Bei Berg und ebenso bei Puccini haben die Figuren in ihrem Verhalten etwas Unaufwendiges. Sie begegnen einander sehr direkt. Diese Direktheit interessiert mich auch auf der Bühne, egal ob im Schauspiel oder in der Oper. Die zwischenmenschliche Dimension verpflichtet die Sänger auf der Bühne zu sozialen und emotionalen Hochleistungen.

In beiden Werken gibt es ja auch eine soziale Dimension. Bei der Butterfly-Figur ist es ganz eindeutig. Die junge Frau aus einer verarmten Familie bindet sich an einen Marineoffizier aus Übersee…

Rainer: … die Frau verliebt sich, wartet und gibt die Hoffnung nicht auf. Aber ihre Liebe ist möglicherweise auch motiviert von dem Wunsch auszubrechen, aus einem Zustand des Gefangenseins und dem Traum vom sozialen Aufstieg.

Und zwischen dem Abschied und der Rückkehr von Pinkerton liegen drei Jahre.

Rainer: Wir haben uns für sechs Jahre langen Wartens entschieden, aber es könnten auch mehr sein. Dabei hat mich eine Geschichte aus dem japanischen Kabuki-Theater inspiriert: „Das Haus im Schilfrohr“: Es geht um eine Frau, die sich unsterblich in einen Mann verliebt. Der Mann geht weg, und die Frau wartet und wartet, und irgendwann wird sie zum Geist. Das Warten löst ihre körperliche Substanz auf. Diese Erzählung war der zentrale Ausgangspunkt für meine Konzeption.

Kommen wir zu den Hauptfiguren. Bei der „Butterfly“ ist die Charakterisierung eher klar: eine ganz junge Frau, 15 Jahre alt, gerät an einen stämmigen Seemann. Aber der Marineleutnant Pinkerton, der ist doch eher ein widersprüchlicher Charakter, oder?

Rainer: Für die Figur des Pinkerton ist es sinnvoll, das Stück von hinten zu lesen. Die Entscheidung für die Arie „Leb‘ wohl mein Blütenreich“. entscheidet darüber, wie man seine Figur sieht. Man kann ihn ausschließlich als verantwortungslosen Menschen darstellen, der bis zum Schluss zu keiner Einsicht gelangt. Aber mich interessiert die Widersprüchlichkeit und die Entwicklung von Figuren. Mit dieser Arie besteht die Chance einer Gewissensüberprüfung in Shakespearschem Sinne.

Herr Hochstenbach, wie gehen Sie mit der Musik um? Betonen Sie das fernöstliche Kolorit in der Partitur?

Hochstenbach: Das ist gar nicht nötig. Die Oper ist vor allem eins: glaubhaft. Auch deswegen ist sie von Kitsch weit entfernt. Sie ist nicht aufgeblasen, zieht nichts ins Lächerliche. Puccini versteht die Menschen und was in ihnen vorgeht. In seiner Musik kommt genau das zum Tragen, wenn man sie nur wirklich ausspielt und sie aufblühen lässt.

Giacomo Puccini „Madama Butterfly“. Samstag, 2. Februar, 19.30 Uhr, Theater Trier. Eintrittskarten gibt es an der Theaterkasse am Augustinerhof, unter Telefon 0651 7181818 oder online unter www.theater-trier.de
Musikalische Leitung: GMD Jochem Hochstenbach
Inszenierung: Cornelia Rainer.
Ausstattung: Michaela Mandel.
Choreographie: Gilles Welinski
Chorleitung: Angela Händel.
In den Hauptrollen: Siheng Yi (Butterfly), Vadim Babychuk (Pinkerton), Janja Vuletic (Suzuki), Carl Rumstadt (Sharpless), Karsten Schröter (Bonzo).

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