Theater Struwwelpeter lässt grüßen

Trier · Das Theatergastspiel der Gruppe Chawwerusch will aufrütteln und belehren. Doch das geht gehörig daneben.

 Ähnlichkeiten zu Pussy Riot durchaus vorhanden – nur ohne politische Botschaft.

Ähnlichkeiten zu Pussy Riot durchaus vorhanden – nur ohne politische Botschaft.

Foto: Karin Pütz

Es ist nicht leicht für die Schauspielerinnen Miriam Grimm, Judith Achner und Isa Weiß an diesem Abend im großen Saal der Tufa. Doch es gelingt ihnen, vor elf (!) Zuschauern in einem 80-minütigen Theaterstück durchgängig Energie und Tempo zu halten. Die drei haben den langen Applaus am Ende verdient. Doch das war es dann schon mit dem Lob für das Stück „Demut vor deinen Taten, Baby“.

Dessen Inhalt ist schnell erzählt: Drei sich vorher fremde Frauen überleben einen Bombenalarm auf einem Flughafen. Dadurch wird ihnen und den anderen Beteiligten die Endlichkeit des Lebens bewusst. Sie werden Freundinnen und wollen anderen helfen, auch ihr Leben wieder bewusster zu leben. Sie simulieren Anschläge auf Clubs und Supermärkte, lösen damit erst Panik und anschließende Erleichterung aus. Bald erlangt das Trio Berühmtheit, sie bekommen Fanpost, weil sie „so cool“ sind. Das Leben ist so kurz – das muss man genießen, als wäre jeder Tag der letzte. Fortan geht niemand mehr zur Arbeit, und keiner schließt mehr Versicherungen ab. Ein Konzern sorgt dafür, dass sich das Blatt wendet. Eigentlich ein interessanter Plot, aus dem man mehr hätte machen können. Doch Regisseurin Éva Adorján setzt auf Klamauk statt auf Anspruch.

Das 2016 von Laura Naumann verfasste Stück ist ausdrücklich für Jugendliche ab 14 Jahren geeignet und wird am nächsten Tag nochmals vor etwa 80 Schülern gespielt. Vor diesem Hintergrund kann man schon ein bisschen Bauchweh bekommen ob dieser Szenen auf der Bühne. Die drei jungen Frauen stürmen schreiend einen Club. Dabei tragen sie bunte, gestrickte Sturmhauben und Pussy-Hats, aus denen Löcher für Augen und Mund geschnitten sind. Es soll lustig sein, dass sie statt Waffen Regenschirme in den Händen halten. Ist es aber nicht. Eine Charakteristik der Figuren wird nur angedeutet – die eine hasst Christen, die andere ist eifersüchtig auf ihren Freund, der viel onaniert und den sie immer nur als „den Jungen“ bezeichnet, und die Dritte sieht sich gerne als Cowboy. Sie hat zu Hause ein sprechendes Pferd, das gerne mal weint.

Die Mischung aus Kindertheater, pseudo-intellektueller Sozialkritik und Schocker ist nervig. Viele Fragen bleiben offen: Wie alt sind diese Frauen? Eigentlich erwachsen und berufstätig spielen sie kichernd Nachlaufen und quietschen dabei ausgelassen – diese Anbiederung an Jugendliche ist eine zu plumpe Art, um den Kontrast zum heftigen Ende zu verdeutlichen, aber offensichtlich nötig, weil das Stück textlich einfach nicht mehr hergibt. Schließlich endet nämlich alles ganz, ganz böse. Mit Maschinengewehren und viel Kunstblut soll zu romantischem Selbstgesungenem doch noch eine Botschaft rüberkommen: Eine Terroranschlagsimulation ist keine wirklich gute Idee. Es bleibt zu hoffen, dass angesichts des blutigen Schlussbildes die zuvor auf der Bühne gezeigten 55 Minuten Spaß und Anerkennung durch simulierte Attentate beim Schülerpublikum in den Hintergrund rücken. Bei den alten Struwwelpeter-Geschichten hat das ja auch meistens geklappt.

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