Unterm Strich – die Kulturwoche Zurück zu den Wurzeln – mit kostenlosem Flugticket

Im Public Theatre, einem Off-Broadway-Theater an der Lafayette Street in New York, wurde gestern Abend ein Stück des afro-amerikanischen Autors Jordan E. Cooper uraufgeführt. „Ain’t no mo‘“ – auf Deutsch etwa „Is’ vorbei!

   Barack Obama, ­ehemaliger  US-Präsident.

Barack Obama, ­ehemaliger US-Präsident.

Foto: dpa/Ashlee Rezin

” -  versteht sich als Satire auf die Zustände in den USA. Satiren, das weiß man, übertreiben maßlos. Aber bei allem, was da drüben gerade abgeht, ist diese möglicherweise doch nicht so realitätsfremd. Jordan E. Cooper selbst spielt eine Stewardess, eine in schreiendes Pink gekleidete  Dragqueen und Angestellte der „African-American-Airlines“. Flug 1619 geht von New York nach Dakar, „von wo ihr Anschlussflüge in all die Länder erreichen könnt, wo eure Vorfahren herkommen“, wie die Ansage lautet. Die Passagiere von Flug 1619, man muss es nicht betonen, sind ausnahmslos schwarz und im Besitz eines (kostenlosen) One-Way-Tickets, das der Staat spendiert hat (wer lieber bleiben will, „hat nur zwei Wohnmöglichkeiten, und beide sind gleichermaßen lausig: entweder eine Gefängniszelle oder ein Sarg“). Die Flugnummer ist nicht grundlos gewählt; um den 20. August 1619, knapp 400 Jahre ist das her, wurden gekidnappte Afrikaner in Point Comfort ausgesetzt, heute ein Teil von Fort Monroe, Hampton, im US-Bundesstaat Virginia, von wo aus sie als Sklaven übers Land verteilt wurden.

Was wäre, fragt die Show, eine lose Sketchfolge eher als ein geschlossenes Drama, wenn alle Schwarzen das Angebot annähmen und ein Land voller alter weißer Männer zurückbliebe (was der feuchte Traum eines ebenso alten weißen Mannes ist, der derzeit im Weißen Haus randaliert)? Dieser Frage geht der Autor nach: Er stellt den Wert schwarzen Lebens in einem Land auf den Prüfstand, das sich mehr und mehr von den Versprechen entfernt, die vor noch gar nicht langer Zeit ein schwarzer Präsident seinem ganzen Volk gegeben hat. Zwischen die komischen Szenen hat Cooper tieftragische Momente gesetzt: Etwa die einer Frau, die in einer Abtreibungsklinik wartet, weil sie nicht ein weiteres „Opfer” gebären will, oder einer anderen, die darauf wartet, aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Einer der Rezensenten der Voraufführungen schrieb: „Ain’t no mo‘“ endet in einer Wahnsinnsspirale des Absurden, das sich in erschreckend absurden Zeiten wie ein Spiegel anfühlt: Es ist irrsinnig komisch – aber kein Witz.“

Jordan E. Cooper ist 24 Jahre alt, „Ain’t no mo’” sein erstes Bühnenstück. „Eine beachtliche Leistung für einen jungen Mann“, lobt ihn die „New York Times“, „der noch zur Schule ging, als Barack Obama ins Weiße Haus einzog.“ Vor drei Jahren hatte er mit den ersten Szenen begonnen. Auslöser waren die tödlichen Schüsse auf Philando Castile und Alton Sterling, zwei Schwarze aus Minneapolis beziehungsweise Louisiana, die von (weißen) Polizeibeamten, wie es in diversen Zeitungsartikeln später hieß, nicht „erschossen, sondern exekutiert wurden“. Vielleicht ist ein kostenloses One-Way-Ticket doch nicht die schlechteste Option. Rainer Nolden

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