Film Im Kino gewesen. Gelacht.

Trier · Verlacht, verhöhnt, gefeiert: „The Room“ gilt als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten und hat gerade deshalb viele Fans. Nun kommt „Disaster Artist“ in die Kinos, der sich mit der kuriosen Entstehungsgeschichte von „The Room“ beschäftigt.

 Der The-Room-Regisseur Tommy Wiseau, wie man ihn kennt: Mit Sonnenbrille und schwarzer Mähne auf der Bühne bei der Golden-Globe-Verleihung am 7. Januar in Beverly Hills.

Der The-Room-Regisseur Tommy Wiseau, wie man ihn kennt: Mit Sonnenbrille und schwarzer Mähne auf der Bühne bei der Golden-Globe-Verleihung am 7. Januar in Beverly Hills.

Foto: dpa/Paul Drinkwater

„Im Kino gewesen. Geweint.“ Das notierte der Schriftsteller Franz Kafka 1921 in seinem Tagebuch und fasste damit in einem einfachen Satz die Kraft des Mediums Film zusammen. Es ist unbekannt, ob Tommy Wiseau, Filmemacher, Exzentriker und Lebenskünstler, dieses Kafka-Zitat kennt – unbestreitbar ist aber, dass auch Wiseaus Film „The Room“ (englisch für „Das Zimmer“) aus dem Jahr 2003 als Beispiel für die Kraft des Mediums herhalten kann.

Um den Film, der Vielen als der schlechteste Film aller Zeiten gilt, ranken sich zahlreiche Mythen. Beispielsweise soll Wiseau die Sechs-Millionen-Dollar-Produktion aus eigener Tasche bezahlt haben. Über die Herkunft des Filmemachers ist nichts Offizielles bekannt, gerüchteweise soll er aus Osteuropa in die Vereinigten Staaten emigiert sein. Öffentlich gibt Wiseau aber fast nichts über sich und seinen Werdegang preis.

Klar ist, dass der Mann mit der Sonnenbrille und  der wilden, schwarz gefärbten Mähne  mit „The Room“ einen besonderen Film geschaffen hat: einen Streifen, der so schlecht ist, dass er dafür verehrt und geliebt wird.

Der Inhalt ist schnell erzählt: Es geht um eine Dreiecksbeziehung zwischen zwei Männern und einer Frau. Klingt gewöhnlich? Ja, ist es auch. Wenn aber absurde Schauspielerei, konfuse Dialoge und verkorkste Kameraarbeit dazukommen, dann entsteht etwas Einmaliges: „The Room“ ist zum Kult geworden, und Wiseau ist, wenn auch nicht so, wie er sich das wohl gedacht hatte, an sein Ziel gekommen: Er ist ein berühmter Filmemacher geworden.

Die absurden Umstände, unter denen „The Room“ entstand, und die Kapriolen des Exzentrikers Wiseau beschrieb der damalige Hauptdarsteller Greg Sestero 2013 in seinem Buch „The Disaster Artist“ („Der Katastrophenkünstler“), das kürzlich verfilmt wurde und unter demselben Titel in die Kinos kommt. Hauptdarsteller James Franco, der im Film Wiseau verkörpert, wurde sogar mit einem Golden Globe ausgezeichnet (siehe Kinokolumne). Die Erfolgsgeschichte des Films ist noch lange nicht zu Ende erzählt.

„The Room“ wird zu den sogenannten Trash-Filmen (englisch in etwa „Müll-Filme“) gezählt. Zu den Filmen also, die in erster Linie nicht mit einer spannenden Geschichte oder mit großen Schauspielern unterhalten, sondern, weil sie schlecht gemacht sind. Grundsätzlich sei der Begriff des Trash-Films aber sehr unspezifisch, sagt der Filmwissenschaftler Jakob Larisch von der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. „Das Vergnügen  an Trash-Filmen resultiert einerseits aus filmischen Faktoren, die als amüsant oder witzig empfunden werden“, sagt Larisch. „Andererseits werden Trash-Filme aufgrund ihrer wahrnehmbaren Abweichung vom filmischen Mainstream gewürdigt.“

Er unterscheidet verschiedene Arten von Trash-Filmen: Erstens die kalkulierten, die absichtlich schlecht gemacht sind, wie beispielsweise „Sharknado“. Zweitens Filme, die aufgrund ihres Alters und der daraus resultierenden Machart als unterhaltsam wahrgenommen würden. Und drittens den unbewussten Trash-Film: „Filme, die eigentlich ernst gemeint sind, aber aufgrund ihres niedrigen Budgets oder schlechter Schauspiel- oder Regieleistungen unfreiwillig komisch wirken“, wie Tommy Wiseaus „The Room“.

Für Filmwissenschaftler Larisch ist „The Room“ dennoch aber kein typischer Trash-Film: „Er erfüllt zwar die Definition dahingehend, dass er kein großes Budget besaß und sich dem vermeintlichen Perfektionsversprechen des Kinos entzieht“, sagt er. Allerdings sei „The Room“ nur stilistisch ein Gegenentwurf zum Kino. Inhaltlich sei der Film nicht sonderlich provokant oder gar innovativ – Aspekte, die die Definition als Trash-Film laut Larisch aber auch ausmachen.
„Auf ‚The Room’ trifft eher der Begriff Kultfilm zu“, sagt er. „In der Regel zeichnen sich Kultfilme durch eine große, treue Anhängerschaft und, wie im Falle von „The Room“, durch eine ungebrochene Faszination bei gemeinsam rezipierten, wiederkehrenden Vorführungen aus.“

In den USA läuft der Film 15 Jahre nach seinem Erscheinen immer noch regelmäßig in verschiedenen Kinos. Unter den Zuschauern haben sich feste Rituale etabliert, beispielsweise das Mitsprechen einzelner Szenen. Im Internet finden sich sogar Anleitungen, wie sich das Publikum bei „The Room“ zu verhalten habe.

„The Room“, das ist mehr als ein Film: Das ist ein Gemeinschaftsgefühl, ein Happening, die Verkörperung von Lebensfreude. Kult eben.

Kult, ein Stempel, den sich wohl jeder Filmemacher wünscht: Kultfilme, das sind die, über die gesprochen wird, das sind die, die in Fan-Kreisen zitiert werden, die bei einem mehr oder weniger festen Kreis von Zuschauern einen Platz im Herzen gefunden haben. Filme, mit der Kraft des Mediums, die Kafka mit seinem Tagebucheintrag gemeint hat.

Aber was ist es, das einen Film denn nun zum Phänomen macht, zum Besuchermagneten, zum Kultfilm? Für die Antwort auf diese Frage gibt es in Trier zwei ausgebuffte Experten: Jürgen Becker und Michael Schu sind die Köpfe hinter „Freck langsam“, einer Gangster-Komödie, ausschließlich von Laien in Trierer Platt gedreht. Der Film genießt bei vielen Trierern durchaus das, was man als Kult-Status bezeichnen könnte. „Für einen Kultfilm gibt es kein Rezept“, sagt Becker. „Ich denke, damit ein Film zum Kult wird, braucht er vor allem interessante, markante Charaktere“, meint der 35-Jährige, der sein Geld als Berufsfeuerwehrmann verdient. „Unser Ziel mit „Freck langsam“ war nie, direkt einen Kultfilm zu machen, wir wollten einfach nur unseren Film drehen.“

Die Idee sei entstanden, weil Schu und Becker oft kleinere Filme für die Weihnachtsfeier der Feuerwehr drehten. Als sie dann einen ersten „Freck-Langsam“-Trailer auf der Internetvideoplattform Youtube hochluden, ging der durch die Decke und wurde innerhalb kurzer Zeit rund 240 000 Mal angeklickt. „Meine persönlichen Kultfilme sind die Streifen von Quentin Tarantino oder auch die ‚Rambo-Filme’. Das sind einfach coole Typen mit coolen Sprüchen.“

Für Regisseur Schu macht der lokale Bezug viel aus: „‚Bang Boom Bang’ ist so ein Film, der für uns ein Kultfilm ist. Der wurde im Ruhrpott gedreht, da wird Dialekt gesprochen. Da ist ein lokaler Bezug da, wie bei ‚Freck langsam’ auch“, meint er. „Der Bezug zu Trier, die Porta im Hintergrund, das macht den Film für die Menschen zu etwas besonderem.“

Schu nimmt das Wort „Kultfilm“ im Gespräch über „Freck langsam“ nicht in den Mund. Der Film sei eben der erste seiner Art gewesen, sagt er bescheiden.  „Mir fällt das schwer, das so zu sagen“, sagt auch Jürgen Becker. „Aber ich glaube schon, dass ‚Freck Langsam’ für Trier ein Kultfilm ist.“

„Freck Langsam“, der Trierer Kultfilm. Vielleicht hätte ihn Schriftsteller Franz Kafka in seinem Tagebuch erwähnt.

„The Room“ (USA 2003) dauert 99 Minuten und ist in englischer Sprache auf DVD und Bluray erhältlich.

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