Mittelalter Kostbarkeiten aus mehr als tausend Jahren
Trier/Mainz · Auf den Spuren der mittelalterlichen Kaiser ergründet derzeit eine große Landesausstellung in Mainz, worauf deren Macht eigentlich fußte. Mehr als 300 Exponate beleuchten darin das Machtgefüge von päpstlich gesegneten Kaisern, selbstbewussten Bischöfen, Fürsten, Rittern und den erstarkenden Städten. Einige der Top-Stücke kommen aus Trier. Sie sind teilweise so wertvoll, dass sie gar nicht zu versichern sind.

Weltdokumentenerbe seit 2004: Dieses Bild stammt aus dem Codex Egberti, der um 985 entstandenen und nach ihrem Stifter Erzbischof Egbert benannten Handschrift. Das Werk repräsentiert den ältesten und zugleich umfangreichsten Bilderzyklus zum Leben Jesu aus dem Mittelalter.
Foto: Stadtbibliothek TrierAls im September die Exponate für die Ausstellung „Die Kaiser und die Säulen der Macht“ in Mainz eintrudelten, ist Professor Michael Embach persönlich vor Ort gewesen, um das Auspacken der Trierer Leihgaben zu überwachen. „Das sind natürlich exorbitante Werte“, erklärt der Leiter der Trierer Stadtbibliothek und ihrer Schatzkammer und meint damit nicht nur den materiellen, jenseits der zusammen über 100 Millionen Euro liegenden Wert, für den keine Versicherung geradesteht und für den das Land bürgt. Die neun Leihgaben aus der Schatzkammer sind zudem in ihrem (kunst-)historischen Wert außerordentlich und unersetzlich, darunter der Codex Egberti als im Land einziges Unesco-Weltdokumentenerbe. Einige Stücke gibt es überhaupt nur dieses eine Mal, sie gehören zu den Highlights der Trierer Schatzkammer.
Doch auch wenn diese Schätze nun bis April 2021 fehlen, ist Embach froh über den Beitrag der Stadt zur Landesausstellung, die die Zeit von Karl dem Großen bis Friedrich Barbarossa und darüber hinaus bis zur Goldenen Bulle 1356 präsentiert. „Es ist eine riesige Chance, die Stücke einmal einem größeren Publikum vorzustellen“, sagt Embach. In Trier sehen rund 5000 Besucher jährlich die alten Schätze, in Mainz hingegen werden in sieben Monaten rund 50 000 Besucher erwartet. „Es ist für uns auch die Gelegenheit, ein Signal des Dankes an das Land zu senden, das den Bau der Schatzkammer in den Jahren 2010 bis 2014 massiv unterstützt hat“, so Embach.
Die drei Top-Leihgaben sind in Mainz nur befristet und zeitlich versetzt zu sehen: Das Ada-Evangeliar, dessen Einband und der Codex Egberti wechseln sich ab und sind entweder in Mainz oder in Trier ausgestellt, wo der frei gewordene Platz zudem für seltene andere Präsentationen genutzt wird. Wo das Original fehlt, vermittelt ein Faksimile einen Eindruck.
Was gibt es zu sehen?
Das Ada Evangeliar gilt als die Leithandschrift aus der Hofschule Kaiser Karls des Großen. Die dort arbeitenden Gelehrten und Künstler schufen überragende Werke, die Handschriften sind prachtvoll ausgestattet. Der Text der Evangelien ist vollständig in Goldtinte geschrieben. Ob die Stifterin Ada die Schwester Karls des Großen war oder eine dem Herrscherhaus nahestehende Frau im geistlichen Stand, ist offen. Erstmals seit der Antike trat mit Karl dem Großen wieder ein Kaiser auf, der selbst hochwertige Handschriften in Auftrag gab. Für das Ada Evangeliar ist die Aufnahme als Unesco-Weltdokumentenerbe beantragt. Zum Evangeliar gehört ein aufwändig gestalteter Deckel aus Holz, dekoriert mit vergoldetem Kupfer, Edelsteinen, Silber und Glas aus dem Jahr 1499.
Der Codex Egberti, gestiftet vom Trierer Erzbischof Egbert (977-993), gilt als Höhepunkt der Kunst um das Jahr 1000. Er enthält Ausschnitte aus den Evangelien, die in der Messe vorgetragen wurden, sowie 61 Szenen aus dem Leben Jesu. Die Handschrift ist Weltdokumentenerbe.
Das Gregorblatt ist eine sehr selten gezeigte ganzseitige Miniatur aus den Jahren 983/984 des bedeutendsten Künstlers seiner Zeit. Das Bild von Papst Gregor gab dem Künstler seinen Namen. Stifter der Miniatur war vermutlich der Trierer Erzbischof Egbert. Der Gregormeister gilt auch als die Haupthand im Egbert-Codex. Das Exponat nennt Embach „ein absolutes Highlight“.
Die Klageverse auf Kaiser Otto II., geschrieben in Goldtinte auf purpurnem Grund, hat der Trierer Erzbischof Egbert kurz nach 983 gestiftet. Darin bringt dieser nach Ottos Tod seine Trauer zum Ausdruck und erwähnt sich selbst als „compater“ (Mitvater). Vielleicht war er ein Tauf- oder Firmpate für Otto gewesen. Jedenfalls reisten die beiden 983 zusammen nach Verona und Italien. Die Gedichte zeigen die enge Beziehung des Trierer Erzbischofs zum ottonischen Herrscherhaus.
Das Goldene Buch von Prüm gilt als eine der bedeutendsten Urkundensammlungen der Karolingerzeit. Die Handschriften stammen aus dem 10. bis 12. Jahrhundert. Prüm war ja als karolingisches Königskloster gegründet worden.
In Mainz werden drei Abschriften der Goldenen Bulle gezeigt, darunter eine frühe, erst kürzlich von der Trierer Historikerin Petra Schulte entdeckte seltene Abschrift aus der Mitte des 14. Jahrhunderts sowie ein Exemplar des Trierer Erzbischofs Clemens Wenzeslaus, der seine Schrift Anfang des 19. Jahrhunderts nach Württemberg gab. Von dort gelangte es nach Stuttgart.
Fragment der Lex salica, des von Karl dem Großen umgearbeiteten berühmten Stammesrechts der Germanen, in einer althochdeutschen Übersetzung. Die Handschrift ist der älteste Rechtstext in deutscher Sprache (9. Jahrhundert) und ein Unikat.

Mit diesem kostbaren Ring wurde der Trierer Erzbischof Albero von Montreuil 1152 im Dom bestattet. In die Kastenfassung aus massivem Gold ist ein blauer Saphir eingesetzt. Bei der Öffnung des Grabes 1852 wurde der Ring entnommen.
Foto: Rudolf Schneider, Rita Heyen/Rudolf Schneider (Domschatz außer Nagelreliquiar), Rita Heyen (Nagel aus dem Domschatz)
Der Heilige Nagel vom Kreuz Christi gehört zum Trierer Domschatz und war einst bedeutsamer als der Heilige Rock. Es hieß, dass man damit Augenleiden heilen konnte. Zur Landesausstellung gab das Domkapitel das Reliquiar (oben), das aus karolingischer Zeit stammen soll. Den ebenfalls aus Mainz angefragten Nagel wollte das Domkapitel aber nicht verleihen.
Foto: Rudolf Schneider, Rita Heyen/Rudolf Schneider (Domschatz außer Nagelreliquiar), Rita Heyen (Nagel aus dem Domschatz)
Kelch, Patene (Teller) und ein Ring stammen aus dem Grab des Trierer Erzbischofs Poppo von Babenberg (1016-1047), das bereits 1517 erstmals geöffnet wurde. Sie gehören heute zum Domschatz.
Foto: Rudolf Schneider, Rita Heyen/Rudolf Schneider (Domschatz außer Nagelreliquiar), Rita Heyen (Nagel aus dem Domschatz)Außerdem in lateinischer Sprache die Admonitio generalis – ein Rechtstext aus dem unmittelbaren Umfeld von Karl dem Großen. Dieser ließ das Recht genauso wie Bildung und Verwaltung in seinem riesigen Reich vereinheitlichen.