„You’ll Never Walk Alone“ Hört auf, diese Hymne zu singen

Liverpool/Dortmund/Kaiserslautern · You’ll Never Walk Alone. Die wohl berühmteste Stadionhymne der Welt. Zum 80. Geburtstag des Mannes, der sie berühmt machte, fragen wir: Warum wird sich so oft an ihr vergangen, wenn sie nur einem Verein gehört?

You’ll Never Walk Alone – Diese Hymne gehört nur dem FC Liverpool
Foto: picture alliance/dpa/Bildbyran via ZUMA Press/Petter Arvidson

Sie hören es, wenn Sie vor dem Spiel auf dem Kaiserlauterner Betzenberg stehen. Sie hören es, wenn Sie Dortmund-Fan sind. Sie hören es, wenn es beim Aufstieg Ihrer Kreisliga-Truppe angestimmt wird.

„Waaaaaalk on, waalk ooon ...“

Vollkommen egal, wer wie gut singen kann. Es zählt nur die Lautstärke. Augen zu, so laut schreien wie möglich, den Moment genießen. Kein Song ist dafür besser geeignet.

Kein Wunder, dass sich so viele Vereine und Gröhler daran vergehen. Für mich persönlich gibt es nur eine standesgemäße Version: Liverpool. Anfield Road. The Kop, der Fanblock des FC Liverpool. Zwischen den Fans der Reds und You’ll Never Walk Alone ist es Liebe aufs erste Hören, damals 1963. In Anfield werden in den Sechzigern vor Anpfiff die Top-Ten-Hits der aktuellen Charts gespielt. 1963 schafft es You’ll Never Walk Alone in der Version von Gerry & The Pacemakers (ach, ganz vergessen, der Grund für diese Kolumne: Gerry Marsden wäre am 24. September 80 Jahre alt geworden) in die Riege dieser Fans.

Als Gerry und seine Bandkollegen den Song im Oktober 1963 live vor dem Spiel vortragen, irgendwann jedoch an die tausenden Kehlen übergeben, sind die Kop und You’ll Never Walk Alone endgültig unzertrennbar. Seit diesem Tag wird die Hymne vor Anpfiff angestimmt. Als 1989 96 Liverpool-Fans bei der Hillsborough-Katastrophe ums Leben kommen, entfaltet der Song wieder seine eigene Magie: Er verbindet nicht nur im Moment des Glücks, sondern auch des Schmerzes. You’ll Never Walk Alone ziert fortan als Spruch das Logo des FC Liverpool.

Gerry & The Pacemakers – You'll Never Walk Alone

Gerry & The Pacemakers – You'll Never Walk Alone

Foto: Columbia

Keine Hymne ist derart eng mit einem Verein verbunden. Mit Freud und Leid. Ich mache mir vermutlich jetzt Feinde (gerade beim BVB und Lautern, die in der Region etliche Fans haben). Aber: Hört auf, You’ll Never Walk Alone zu singen. Es gehört sich nicht. Das gilt unter anderem auch für Mainz 05, den FC Brügge und den FC Tokyo: Diese Hymne gehört dem FC Liverpool. Lasst den Song den Fans, die ihn leben – und nicht nur singen, weil es der Stimmung dient.

Wenn also Mark Forster im Januar dieses Jahres auf ProSieben bei „Wer stiehlt mir die Show?“ Youll Never Walk Alone singt, umringt von Lautern-Fans mit Bengalos, Fahnen und Schals, damit Joko Winterscheid zum Lachen und Barbara Schöneberger zum Staunen bringt, dann ist das irgendwie schön. Mal was anderes, im ersten Moment ergreifend und beeindruckend. Aber auch nur eine billige Kopie. Wie übrigens auch die Version, die vor den Heimspielen des BVB läuft: Ein Pop-Cover der Dortmunder Band Pur Harmony. Kommt bei den Fans besser an, als das Original, sagt der Verein.

Nicht falsch verstehen: Niemand kritisiert die Stimmung in Kaiserslautern oder Dortmund. Es gibt kaum lautere Stadien in Deutschland. Kaum Vereine mit mehr Tradition. Ihr habt das nicht nötig. Ihr habt eigene Hymnen, konzentriert euch darauf. Heja BVB, das Betzelied – diese Hymnen sind zwar nicht besser (denn sind wir ehrlich, You’ll Never Walk Alone ist neben der perfekten Hymne auch ein musikalischer Geniestreich) – aber es sind eure.

Und nein, ich bin kein Liverpool-Fan. Ich mag den Verein nicht mal. Auf jeden Fall weniger als den 1. FC Kaiserslautern.

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