"Ein großer Tag für die EU"

Luxemburg · Die Luxemburger Abgeordneten im Europäischen Parlament zeigen sich allgemein erfreut über Jean-Claude Junckers Wahl zum EU-Kommissionspräsidenten. Allerdings gibt es auch Vorbehalte.

Luxemburg. Die Sozialagenda, die Aussagen über ein Reinvestitionsprogramm sowie sein Versprechen, mehr Transparenz in die Verhandlungen des Freihandelsabkommens mit den USA zu bringen: Das findet Claude Turmes an der Antrittsrede des frischgewählten EU-Kommissionschefs Jean-Claude Juncker positiv. Auch die Zusage, die Prozedur der Genehmigung von genetisch modifizierten Organismen zu ändern, hat den luxemburgischen Grünen-Abgeordneten dazu bewogen, für seinen Landsmann zu stimmen.
Er frage sich aber, ob die personelle Besetzung der künftigen EU-Kommission es zulasse, das von Juncker propagierte prosoziale und proökologische Programm umzusetzen, sagt Turmes. Immerhin: "Jean-Claude Juncker ist mit relativer Sicherheit ein besserer Kommissionspräsident als jener, den wir bisher hatten", urteilt der grüne EP-Abgeordnete.
Sie sei "immens houfreg", dass Luxemburg mittlerweile den dritten EU-Kommissionspräsidenten stelle, so Mady Delvaux. Doch sei noch nicht alles überstanden. Juncker habe jetzt die schwere Aufgabe, eine Kommission zusammenzusetzen. In ihrer Fraktion hätten vor allem die Briten und die Spanier gegen den Luxemburger gestimmt, so die sozialistische EP-Abgeordnete. Manche, unter anderem französische Kollegen, seien jedoch noch in letzter Minute umgeschwenkt, weiß Mady Delvaux zu berichten. Vor allem auch, weil sie Parlamentspräsident Martin Schulz früh darauf aufmerksam gemacht habe, dass kein besserer EVP-Kandidat zu haben sei als Jean-Claude Juncker.
Für den EVP-Abgeordneten Georges Bach ist die Wahl "ein Test für die große Koalition, der gut ausgegangen ist". Dennoch habe er mit mehr Stimmen für Jean-Claude Juncker gerechnet. Bach begrüßt die Betonung der sozialen Fragen in Junckers Rede - vor allem, dass er die Troika reformieren und einer parlamentarischen Kontrolle unterstellen wolle.
Er sei froh, dass "dat Gespills" jetzt ein Ende habe, meint wiederum Frank Engel mit Blick auf die Auswahlprozedur. "Wir müssen jetzt in die Gänge kommen", so der EVP-Abgeordnete. Es habe diverse Abweichler in der Mitte gegeben, auch in seiner Fraktion. Dennoch hätten einige von der ungarischen Delegation zugestimmt, zeigt sich Engel über das Wahlverhalten einiger Parteikollegen des Viktor Orban erfreut. Orban hatte sich im Europäischen Rat gegen den Luxemburger Juncker ausgesprochen.
Der 15. Juli 2014 sei ein "großer Tag für die Europäische Union und für Luxemburg", sagt Charles Goerens. Der Liberale begrüßt die Aussagen Junckers zur Transparenz, zum sozialen Dialog und zur Währungsstabilität. Das Wahlresultat gebe dem künftigen Kommissionspräsidenten ausreichend Legitimität für die Zusammensetzung "seines Kollegiums", betont Goerens. Dazu habe seine Fraktion der Liberalen mit fast allen Stimmen beigetragen.
Nach Auffassung der neuen EVP-Abgeordneten Viviane Reding hat "eine neue Ära begonnen". Sie geht davon aus, dass in fünf bis zehn Jahren der EU-Kommissionspräsident direkt von den EU-Bürgern gewählt wird. Die Rede Junckers habe sie "bewundert", da er "ohne Selbstverleugnung einen Spagat zwischen den verschiedenen politischen Richtungen" geschafft habe. Das Wahlresultat sei "nicht überwältigend, aber ganz ehrbar", meint Viviane Reding.
Der Autor ist Redakteur beim Luxemburger Tageblatt.

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