Luxemburgischer Regierungschef: Die Grenzen müssen offen bleiben

Luxemburg · Es dürfte ein entspannter Staatsbesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in Luxemburg werden. Außer der Kritik an der geplanten PKW-Maut in Deutschland dürften beim Gespräch mit Luxemburgs Premier Xavier Bettel keine strittigen Themen auf der Tagesordnung stehen.

Wenn der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel am Donnerstag zum ersten Mal Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Staatsbesuch im Großherzogtum empfängt, wird es auch um die Zukunft Europas gehen. Aber auch die in Deutschland geplante PKW-Maut dürfte Thema bei dem knapp halbstündigen offiziellen Gespräch und dem späteren Mittagessen sein. "Derartige Instrumente tragen nicht gerade zur grenzüberschreitenden Integration im Rahmen der Großregion bei", sagt Bettel über die PKW-Maut im Interview mit unserer Zeitung. Trotz allem bezeichnet er das deutsch-luxemburgische Verhältnis als "exzellent". Er verteidigt die Flüchtlingspolitik Merkels. Es sei eine "mutige und humane Entscheidung gewesen", als sie im Sommer 2015 die in Ungarn gestrandeten Flüchtlinge nach Deutschland gelassen habe. Diese Zeit sei einer der "dramatischsten Momente der europäischen Nachkriegsgeschichte" gewesen, sagt Bettel. Trotz der Flüchtlingskrise und Herausforderungen wie dem Austritt Großbritanniens aus der EU gehe es Europa nicht schlecht. "Eine Gefahr des Zerfalls sehe ich nicht", so Bettel.

Er wendet sich klar gegen Forderungen nach stärkeren Grenzkontrollen. Er bezweifle, dass die Einschränkung der Reisefreiheit den islamistischen Terror eindämmen könne. Die offenen Grenzen aufzugeben, hieße, so Bettel, "sich in die Geiselhaft von Fanatikern zu begeben". Vor allem für die Tausenden Luxemburg-Pendler seien Grenzkontrollen ein Hindernis. Mit Sorge betrachtet Bettel den zunehmenden Rechtspopulismus, den er als teilweise demagogisch, rechtsextrem und volksverhetzend bezeichnet. Er warnt vor Politikern, die "einfache Antworten auf komplizierteste Fragen geben". Bettel: Die Welt war und ist kompliziert, und die Politik der einfachen Antworten ist meistens eine Politik der Marktschreierei."

Merkel wird am Donnerstag kurz nach 10 Uhr in Luxemburg erwartet. Zunächst steht ein Treffen mit dem großherzoglichen Paar auf dem Programm, bevor sich Merkel und Bettel zu einem knapp halbstündigen Gespräch treffen. Es ist der erste offizielle Besuch der Bundeskanzlerin in Luxemburg seit 2010. Damals war Jean-Claude Juncker Premierminister.

Das ausführliche Interview (Langfassung) : "Ich warne vor Politikern, die einfache Antworten geben"

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