Befragung der Ministerpräsidentin im Landtag Die große Malu-Dreyer-Show

Mainz · Der  Landtag fühlt der Regierungschefin erstmals in einer Befragung auf den Zahn. Eine Siegerin, Kritik und ein Tablet stechen heraus.

 Fragestunde für Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Der Mainzer Landtag testete erstmals ein neues Format aus.

Fragestunde für Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Der Mainzer Landtag testete erstmals ein neues Format aus.

Foto: dpa/Andreas Arnold

Etwas geht dann doch kurz schief bei der Befragung von Malu Dreyer. Nach wenigen Minuten tönt ein lautes Geräusch durch den Mainzer Landtag, fragende Blicke wandern durch den Saal, ehe in den Reihen der SPD-Fraktion Hans-Jürgen Noss aufgeregt sein Tablet in der Hand hält, bei dem sich der Ton eingeschaltet hat. Schnell reicht der Abgeordnete das Gerät einem Mitarbeiter in die Hand, der wie von der Tarantel gestochen mit dem kleinen Computer aus dem Saal rennt und Ruhe in den Reihen einkehren lässt. Nichts darf stören bei der großen Malu-Dreyer-Show, die Journalisten später auf der Pressetribüne wahlweise als „Kantersieg“, „PR-Aktion für die Ministerpräsidentin“ und „wirksamer als einen geschalteten Fernsehwerbespot“ bezeichnen.

Erstmals hat das Parlament die Ministerpräsidentin zu ausgewählten landespolitischen Inhalten auf den Zahn gefühlt. Die Idee: Jede Fraktion darf Dreyer zu einem Feld ins Gebet nehmen, angelehnt an die Befragung von Kanzlerin Angela Merkel im Bundestag. 40 Minuten dauert die Angelegenheit, 60 Sekunden hat Dreyer für jede Antwort Zeit. Das Format will es so: Das Rampenlicht gehört Dreyer. Und die Regierungschefin des rot-gelb-grünen Ampelbündnisses darf in einer Eröffnungsrede dann noch den ersten Akzent selber setzen. Da kündigt die SPD-Politikerin an, einen Rat für die digitale Transformation der Arbeitswelt schaffen zu wollen, bei dem Politiker, Gewerkschaften, Unternehmerverbände und die Arbeitsagentur an einem Tisch sitzen. „Wir wollen die Chance nutzen, Rheinland-Pfalz zu einem Gewinner der Transformation zu machen“, sagt die Triererin. Widerspruch der Opposition, die Landesregierung habe den digitalen Wandel nur unzureichend gestaltet, folgt später erst per Pressemitteilungen, nicht im Plenum. Aus einem guten Grund: Die Zahl der Fragen ist begrenzt, jeder Einwand ist wie ein weggeworfener Joker beim Kartenspiel. Inhaltlich kratzt das Format da nur an der politischen Oberfläche.

Zumal jede Fraktion ihre eigenen Vorlieben hat. Die CDU setzt darauf, Dreyer bei der medizinischen Versorgung im Land zu stellen, wo in vielen Kreisen die Ärzte aussterben und Krankenhäusern die Insolvenz droht. Die Abgeordnete Hedi Thelen fragt die Triererin und Ex-Gesundheitsministerin, inwieweit sie eine Mitschuld an der Misere trage, Christoph Gensch hakt nach, wie das Land neue Studienplätze in der kriselnden Mainzer Unimedizin schaffen wolle. Die offensichtliche Taktik der CDU: Bei den Fragen, die live im Fernsehen übertragen werden, sollen Vorwürfe an Dreyer haften bleiben.

Die Ministerpräsidentin wehrt sich gegen die Kritik, spricht von der Selbstverwaltung der Kassenärzte und hebt Konzepte des Landes hervor. Rheinland-Pfalz sei als erstes Bundesland eingestiegen, eigene Sicherstellungszuschläge an kleine Kliniken zu zahlen, die das Land weiter unterstützen werde, sagt Dreyer. Die Triererin verweist auch auf eine angehende Landarzt-Quote, nach der sich 6,5 Prozent aller Medizin-Studenten in Mainz verpflichten müssen, nach ihrem Abschluss in ländlichen Gebieten zu arbeiten.  Einen „Klebeeffekt, dass junge Menschen nach dem Studium auch in Rheinland-Pfalz bleiben“, erhoffe sie sich vom 2020 startenden, regionalisierten Medizinstudium in Trier.

Am Ende bleibt von der Debatte über Gesundheit eher ein Zoff zwischen CDU-Mann Gensch und Landtagspräsident Hendrik Hering hängen, als es darum geht, wann das Regelwerk eine weitere Frage der CDU zulässt. „Ich habe den Prozess scheinbar besser verstanden“, meckert Gensch in Richtung des Landtagspräsidenten.

Dreyer greift wiederum kurz darauf die AfD an. Als deren Fraktionsvize Joachim Paul beim Medienstaatsvertrag fragt, ob Formate wie „Der Bergdoktor“ zur Grundversorgung gehören, kontert die Triererin: „Es ist nicht erstaunlich, dass Sie diese kritische Fragen stellen, wo Sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Lügenpresse bezeichnen“, sagt Dreyer. Paul weist das als „Fake News“ von sich. Inhaltlich antwortet die Ministerpräsidentin auf die Frage von AfD-Fraktionschef Uwe Junge, was sie von Rentenpunkten für ehrenamtliche Arbeit halte. „Nicht  zu realisieren“, wehrt die Triererin ab, die bei Fragen der Regierungsfraktionen SPD zur digitalen Bildung, der FDP zu Europa und den Grünen zum Ehrenamt keine Mühe hat.

Als die Fragerunde beendet ist, trinkt Dreyer einen Schluck Wasser, guckt verschmitzt in die SPD-Fraktion und setzt sich wieder zurück auf die Regierungsbank. Sie ist zufrieden. „Es war ein lebendiges Format, das viel Detailwissen verlangt hat und auf das ich mich intensiv vorbereitet habe“, sagt Dreyer im Anschluss. CDU-Fraktionschef Christian Baldauf kritisiert die Ministerpräsidentin. „Frau Dreyer hat keine Vorschläge gemacht, wie es mehr Ärzte geben kann und Kliniken zu retten sind. Als Ministerpräsidentin muss sie ihre Hausaufgaben machen“, sagt Baldauf, der das Format wiederum eine „Belebung der politischen Debatte nennt“.

Das sehen längst nicht alle so. Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun schreibt auf Twitter mehrfach, das Format „nicht attraktiv“ und „uninteressant“ zu finden. Nach einer Premiere, bei der Dreyer bloß der angeschaltete Ton eines Tablets stört, schreibt Braun in dem sozialen Netzwerk: „Vielleicht sollte nur die Opposition fragen.“

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