Coronavirus „Mama, dich darf ich noch küssen, oder?“

Ralingen/Trier · Wie Familien mit Kindergartenkindern die Corona-Krise meistern.

 Alles wird gut“, sagen Sinje (3) und Leve (5) mit ihren Eltern Desiree und Michael Berg und dem Welpen Milla den Autofahrern am Ortseingang von Ralingen (Kreis Trier-Saarburg).

Alles wird gut“, sagen Sinje (3) und Leve (5) mit ihren Eltern Desiree und Michael Berg und dem Welpen Milla den Autofahrern am Ortseingang von Ralingen (Kreis Trier-Saarburg).

Foto: Ariane Arndt-Jakobs

Zu Hause ist es am schönsten? Schon, aber nicht, wenn es über Wochen kein Anderswo gibt und zum Spielen ausschließlich Mama, Papa und im besten Fall Geschwister zur Verfügung stehen. Unsere Autorin Ariane Arndt-Jakobs, freie Journalistin und Mutter des dreijährigen Simon, berichtet von ihrem Corona-Krisen-Management.

„Ist heute Kindergartentag?“, ist morgens stets einer der ersten Sätze, die mein Mann und ich von unserem Sohn Simon, fast vier Jahre, hören. Wenn wir am Wochenende sagen: „Heute nicht!“, ist die Freude groß. Auch wenn er gern in die Kita geht – zu Hause ist es doch am schönsten. Letzten Donnerstag dann der Wandel: „Ist heute Kindergartentag?“, fragte Simon gewohnheitsmäßig. „Heute nicht“, sagte ich. Die nörgelig-enttäuschte Antwort: „Och nee, wann denn endlich wieder?“

Klar, zu Hause ist es immer noch schön. Zumal wir einen Garten haben, was gerade jetzt Gold wert ist. Toll ist auch, dass Mama immer da ist. Aber nicht, wenn es nichts anderes außer Mama – und Papa am Feierabend – gibt. Und nicht, wenn Mama zwischendurch nervös wird, weil sie „dringend arbeiten muss“. Da sie nicht alles frühmorgens oder abends, wenn sie müde ist, erledigen und manches nicht bis zum Wochenende warten kann. Homeoffice mit Kleinkind ist eine echte Herausforderung. Ich will Simon insgesamt maximal eine Stunde am Tag „Pettersson und Findus“ fernsehen lassen. Seine Aufmerksamkeitsspanne bei Hörspielen ist naturgemäß begrenzt. Und er ist noch kein großer Fan vom Alleine-Spielen – zumal ohne Aussicht, bald wieder mit Gleichaltrigen toben zu können. Und noch weniger, wenn es Mama – immer ungehaltener – fordert.

Ich habe den Vorteil, zeitlich recht flexibel arbeiten zu können und auch mal eine Deadline in Rücksprache zu verschieben. Alles selbstredend nur im Rahmen. Immerhin: Da wegen der Corona-(Finanz-)Krise ein Auftrag gecancelt und ein anderer aufgrund des Kontaktvermeidungsgebots derzeit nicht realisierbar ist, bleibt mir mehr Zeit für Simon. So wird das eine Unglück zum Glück im anderen Unglück …

Fotos: Alles-wird-gut-Regenbögen, Mutmacher-Aktion der Kitakinder
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Mutmacher - Alles-wird-gut-Regenbögen

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Foto: TV/Kinder

Ähnlich wie bei uns sieht es wohl in vielen Familien mit Kleinkindern aus: „Homeoffice mit einem Dreijährigen bedeutet sehr viel mehr Home als Office“, bringt es meine Freundin Eva Bathis auf den Punkt. Hin- und hergerissen zwischen zum Spiel animieren, Streit schlichten, Ordnung schaffen und Mails checken sind auch Carmen Fischer und Oliver Schindler, bei denen gleich drei Kinder (1, 3 und 5) durchs Homeoffice toben. Die Familie nutzt wie viele andere Freunde zwischendurch auch „die vielfältigen Angebote des Internets“ (siehe Kasten): „ALBAS tägliche Sportstunde“ steht dabei besonders hoch im Kurs. Auch ich erhalte – und versende – Tipps. Die Trainerin vom Eltern-Kind-Turnen schickte einen Link zum „Bewegten Kinderzimmer“. Termine für Online-Live-Konzerte und mehrere Malaktionen machen die (Social-Media-)Runde – allen voran die Regenbogen-Aktion (#RegenbogenGegenCorona): Wie schon Kinder in Italien und Spanien malen auch in der Region Kinder Regenbögen und hängen sie ins Fenster: „Alles wird gut“, sagen die Kunstwerke.

Auch Simon hat einen Regenbogen gemalt – zusammen mit meiner Mutter via Skype: Sie malte bei sich, er bei uns. Bis zu 40 Minuten dauern die Video-Treffen der beiden – wertvolle Arbeitszeit für mich. Oft spielen sie eine Blinde Kuh-Variante: Meine Mutter hält Bilder – Haus, Elefant, Apfel – in die Kamera, Simon gibt Tipps. Oder sie singen gemeinsam Lieder. Die digitalen Treffen sind auch wichtig für meine Mutter, die allein lebt und sich umso einsamer fühlt, je ungewisser es ist, wie lange die Isolation dauern wird. Auch die Angst wird größer, wenn man niemanden um sich hat. Mein Mann und ich beschränken unsere sozialen Kontakte seit dem 13. März aufs Nötigste. Nach der ersten Woche war klar, dass dazu auch gehört, meine Mutter „in echt“ zu treffen: Draußen und stets mit mindestens zwei Metern Abstand. Bereits einige Tage zuvor habe ich Simon auf die kontaktlose Begegnung vorbereitet, unter anderem mit dem Corona-Erklärvideo für Kinder der Stadt Wien: Ein Junge sagt unter anderem, dass er niemandem die Hand gibt, da Corona gern auf den Händen sitze. Simons kindlich-logische Reaktion: „Wenn ich mit Oma kuschel, gebe ich ihr auch bestimmt nicht die Hand.“ Schließlich trafen wir uns zum Spaziergang um den Mattheiser Weiher. Es klappte sehr gut! Ich habe darauf geachtet, dass Simon – und ich selbst – Oma nicht zu nah kam und musste nur selten „Stopp!“ rufen. Bei unserer Runde begegnete uns auch eine Freundin, die mit ihrer Tochter (6) und ihrem Sohn (3) unterwegs war. Sie befindet sich in einer besonders prekären Situation, vor der ich größten Respekt habe: Der Sohn ist von Geburt an schwerstbehindert. Seit dem 13. März arbeitet sie nicht mehr und bleibt bei den Kindern, erzählt sie. Denn: „Fremdbetreuung birgt viel zu viele Risiken für das Kind.“

 Malen via Skype: Simon (3) malt seinen Regenbogen bei uns, Oma ihren bei sich zu Hause.

Malen via Skype: Simon (3) malt seinen Regenbogen bei uns, Oma ihren bei sich zu Hause.

Foto: TV/Ariane Arndt-Jakobs
 Beim Balancieren lässt sich der Abstand zu Oma prima einhalten.

Beim Balancieren lässt sich der Abstand zu Oma prima einhalten.

Foto: TV/Ariane Arndt-Jakobs

Abends, im Bett, sagte dann ein müder Simon zu mir: „Mama, dich und Papa darf ich aber noch küssen, oder?“, und schlang seine Arme um mich. „Natürlich“, sagte ich, und: „Alles wird gut!“

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