50 Millionen für den Allerwertesten

Bequem, vielfach einstellbar und sicher: So soll der perfekte Autositz nach den Vorstellungen der meisten Fahrzeugbesitzer sein. Doch Tatsache ist: Schlechtes Gestühl und falsches Sitzen im Auto kosten unsere Volkswirtschaft Milliarden. Was also tun dagegen?

 So fing die Geschichte des Sitzens im Automobil an: Im Opel Lutzmann aus dem Jahre 1899 nahmen Chauffeur und Mitfahrer noch aufrecht in der „Küchenstuhl-Haltung“ Platz. TV-Foto: Jürgen C. Braun

So fing die Geschichte des Sitzens im Automobil an: Im Opel Lutzmann aus dem Jahre 1899 nahmen Chauffeur und Mitfahrer noch aufrecht in der „Küchenstuhl-Haltung“ Platz. TV-Foto: Jürgen C. Braun

Trier/Rüsselsheim. (jüb) Fahrzeugentwicklung ist teuer. Geht man davon aus, dass der Lebensrhythmus einer Auto-Generation sechs bis sieben Jahre beträgt, wird innerhalb dieses Zeitraums jede Menge investiert. In erster Linie geht es dabei um leistungsstärkere, wirtschaftlichere und umweltfreundlichere Antriebsaggregate. Um Getriebe-Techniken, Designelemente, Gestaltung des Interieurs, Platz für Passagiere und Gepäck, Komfort und Sicherheit.

Und was noch? "Unter 50 Millionen Minimum an Entwicklungskosten läuft nichts", sagt Andrew Leuchtmann, Leiter der Produktentwicklung Sitze beim Internationalen Technischen Entwicklungszentrum (ITEZ) von Opel. 50 Millionen Euro für einen Autositz? Leuchtmann packt noch einen drauf: "Entwicklung und Fertigung des Gestühls verschlingen zehn bis zwölf Prozent der Herstellungskosten des gesamten Fahrzeuges."

Angesichts von täglich mehr als 90 Minuten, die die Hälfte der deutschen Autofahrer angeblich hinter dem Steuer verbringt, stehen die Hersteller vor neuen Herausforderungen in Bezug auf Ergonomie, Entlastung der Wirbelsäule und individuelle Einstellbarkeit der Sitze. Denn das "Kreuz mit dem Kreuz" ist eine sündhaft teure Volkskrankheit, kostet unser Gesundheitswesen jährlich bis zu 17 Milliarden Euro, wie Professor Dr. Erich Schmitt, Vorstandsvorsitzender des Forums "Gesunder Rücken - besser Leben" erläutert.

Was also muss der perfekte Autositz bieten, worauf sollte der Verbraucher auch beim eigenen Sitzverhalten achten? "Nicht einfach reinhauen ins Auto, Schlüssel rumdrehen und nix wie weg", warnt Schmitt. Wer stundenlang unterwegs sei, brauche Sitze mit genügender Beinauflage, Seitenführung, Lordose-Unterstützung und exakten Abstand der Füße zur Pedalerie und der Hände zum Lenkrad. Im Opel Lutzmann von 1899 beispielsweise saßen die Fahrgäste noch in der "Küchenstuhl-Haltung" obenauf. Im neuen Opel Insignia, befindet sich unter Schenkeln und Allerwertestem, hinter Wirbelsäule, Hals und Kopf ein High-Tech-Produkt, das mitunter so wunder- und verwandelbar ist wie ein Chamäleon.

Aber nicht alles, was wir Autofahrer als bequem empfinden, sei auch gesund, erklärt Georg Stingel, Geschäftsführer der Aktion Gesunder Rücken (AGR). Die "Kunst des Sitzens im Auto" sei ein Anspruch, der im Lastenheft der Auto-Entwickler ganz oben stehen sollte, sagt auch Schmitt. Denn "Komfort definiert sich beim Autositz nicht durch weiche Polster und behagliche Bezugsstoffe, sondern über straffen Schaumstoff und einen aufwendig konstruierten Unterbau des Sitzes. Für die Besten verleiht die AGR ein Gütesiegel.

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