Kolumne Hauptsache Gesund! Wiederholte Fehlgeburten

Das Eintreten einer Schwangerschaft lässt einen nie kalt, ist meist begleitet mit Freudentränen und Luftballons. Bei ungefähr 15 Prozent der Schwangerschaften kommt es jedoch zu einer Fehlgeburt innerhalb der ersten drei Monate.

Dr. med. Rudolf Sauter.

Dr. med. Rudolf Sauter.

Foto: Dr. med. Rudolf Sauter

Wenn ein befruchtetes Ei (Zygote) über den Eileiter in der Gebärmutter ankommt, nimmt es Kontakt mit der Gebärmutterschleimhaut der Mutter auf, kleine Bindegewebssprossen wandern in die Gebärmutterschleimhaut ein (Trophoblasteninvasion) und klinken sich in das Blutsystem der Mutter ein, was ein immunologisch hochkomplexer und störungsanfälliger Prozess ist. Der weitere Wachstumsprozess ist ebenfalls störungsanfällig. Aus umfangreichen Untersuchungen weiß man, dass ein Großteil der Schwangerschaften, die mit einer Fehlgeburt endeten, ein nicht lebensfähiges Kind hervorgebracht hätten und die Natur demnach auf die Notbremse getreten ist. Das erste Zeichen einer drohenden Fehlgeburt (Abortus imminens) ist eine Blutung, die aus der gestörten Verzahnung von Gebärmutterschleimhaut und dem Kind kommt. In der Hälfte dieser Fälle geht es aber gut und die Frauen bekommen ein gesundes Kind, wenn die Schwangerschaft die ersten drei Monate überstanden hat. Dies wird von der Frauenarztpraxis mittels Ultraschall festgestellt. Ab der 6. Schwangerschaftswoche sieht man die Herzaktion, was über die Intaktheit entscheidet. Sieht man danach das Herzchen nicht schlagen, ist eine verhaltene Fehlgeburt (missed abortion) sehr wahrscheinlich. War bisher eine Ausschabung der Standard, ist man zunehmend zurückhaltender und schonender: Man kann zuwarten (um den Preis, dass Blutungen, auch starke, unkalkulierbar auftreten) oder man kann mit Gewebshormonen (Prostaglandinen) ein Ausstoßen der Fehlgeburt auslösen. Dies funktioniert in ungefähr zwei Drittel der Fälle. Zwei Fehlgeburten gelten als noch „normal“, erst (spätestens) ab drei Fehlgeburten (habituelle Aborte), sind einige Sachverhalte zu klären: Eine Scheidewand in der Gebärmutter (Uterusseptum) kann die Ursache sein: dies sollte mit einer Gebärmutterspiegelung (Hysteroskopie) ausgeschlossen werden. Auch bei einer Gerinnungsstörung (Thrombophilie) kommen gehäuft Fehlgeburten vor, was geprüft werden sollte. Hier können gerinnungshemmende Medikamente (Heparin) hilfreich sein. Es hat sich ferner herausgestellt, dass die Verzahnung von Gebärmutter und Embryo (Trophoblasteninvasion) durch Aspirin 50-150 mg gefördert werden kann. Durch Infusion von Fetttröpfchen (Lipiden) kann die „Nervosität“ der Gebärmutterschleimhaut beruhigt werden. Dies sind Maßnahmen, die die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt reduzieren können und die von Universitätskliniken mit einer „Abortsprechstunde“ so empfohlen werden. Bei Blutungen in der Frühschwangerschaft, also einer drohenden Fehlgeburt, existiert keine wirklich wirksame Behandlung, alle Versuche waren nicht hilfreich, eine Behandlung mit Gelbkörperhormonen (Progesteron) wird aber von vielen Kliniken und Praxen als „tender loving care“ praktiziert. Auch Bettruhe verändert das Ergebnis nicht. Man sollte allerdings keinen anstrengenden Sport betreiben und keinen Geschlechtsverkehr haben. Eine Blutung in der Frühschwangerschaft und vielleicht eine Fehlgeburt sind eine emotional extrem belastende Situation in der Biographie einer Frau mit ungewissem Ausgang. Die Ungewissheit ist mitunter unerträglich. Man wird aber nicht umhin kommen, die Spielregeln der Natur anzunehmen,  und in dieser Episode wird Sie Ihre Frauenarztpraxis als Ihr kompetenter Gesprächspartner mit viel Erfahrung begleiten.

Dr. med. Rudolf Sauter, Facharzt für Gynäkologie und Geburtsmedizin, Vorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte Trier.

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