„Café Nahtlust“ holt Hobby-Schneider aus dem stillen Kämmerlein

Fürth (dpa) · Ein T-Shirt vom Textil-Discounter - oder lieber selbst geschneidert? Besucher eines Fürther Näh-Cafés habe sich entschieden: Bei Cappuccino lassen sie sich in die Welt der Hobby-Schneiderei einweihen - die Betreiberin sorgt für Erfolgserlebnisse.

Das 50er Jahre-Ambiente hat Ulla Lechner mit Bedacht gewählt. „Das war die Zeit, als noch jeder selbst genäht hat oder wenigstens einen Schneider hatte“, sagt die 52-jährige Fürtherin. „Als man noch das Wissen besaß, dass man ältere Kleidungsstücke modisch umarbeiten kann, statt sie wegzuwerfen. Ressourcenschutz galt da noch was“, schwärmt Lechner inmitten ihres Näh-Cafés in der Fürther Innenstadt. Das in nostalgischen Brombeer- und Vanilletönen gehaltene „Café Nahtlust“ ist zum Treffpunkt für Hobby-Schneider in der Region geworden.

Den Leuten wieder Lust aufs Nähen zu machen - mit diesem Anspruch hatte Lechner ihr Nah-Café vor gut einem Jahr in einem leerstehenden Ladengeschäft eröffnet. Die gelernte Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin stellt dort nicht nur Nähmaschinen zur Verfügung, sondern gibt Hobbyschneidern und solchen, die es noch werden wollen, auch Tipps - getreu ihrem Motto: „Jeder soll mit einem Erfolgserlebnis mein Näh-Café verlassen“.

Der 55 Quadratmeter große Laden bietet alles, was Hobby-Modeschöpfer brauchen: acht Nähmaschinen, zwei davon mit Profi-Ausstattung, einen Zuschneidetisch, eine Dampfbügelstation und eine Auswahl Kurzwaren und Stoffe. Eine Sitzgruppe im 1950er Jahre-Stil lädt die Besucher in Arbeitspausen bei Kaffee, Cappuccino oder Säften zu einem Plausch ein. Die Stunde Nähmaschinen-Nutzung samt Lechners Know-how kostet neun Euro, der Vier-Stunden-Nähkurs 30 Euro. Getränke gehen extra.

„Schneidern ist wieder gesellschaftsfähig“, meint Lechner. „Viele meiner Gäste merken, dass es leichter von der Hand geht, wenn man in Gesellschaft ist und nicht alleine zu Hause hockt.“ Die Motive ihrer Gäste, ein T-Shirt, eine Hose oder eine Bluse selbst zu nähen, seien unterschiedlich. „Zu mir kommen viele Frauen mit Figurproblemen - die sind zu dick, zu schmal oder zu klein. Denen helfe ich, ihre Kleidung umzuarbeiten.“ Dann gebe es Menschen, die einfach nach einer sinnvollen Beschäftigung suchen. Manche Berufstätige entdeckten Nähen als Ausgleich zu ihrem stressigen Job: „Für die ist die konzentrierte Arbeit an der Nähmaschine wie Wellness“, sagt die alleinerziehende Mutter.

Für wieder andere sei das Nähen wie eine Therapie: „Die denken, "Ich kann ja eh nichts". Und dann gehen sie nach ein paar Stunden mit einem fertigen Teil aus meinem Laden. Das stärkt enorm das Selbstwertgefühl“, schildert sie.

Viele Jahre lang hatte die geduldige Handarbeitslehrerin vor allem verhaltensauffälligen Kindern und schwer vermittelbaren Jugendlichen zunächst in Schweinfurt, später in Nürnberg das Nähen beigebracht. Noch heute bietet sie Nähkurse für Kinder an - und begeistert damit einige Mädchen. „Zwei bis drei kommen wieder“.

Als vor knapp zwei Jahren die Jobcenter die Gelder für solche berufsvorbereitenden Kurse strichen, stand Lechner plötzlich auf der Straße. Schließlich kam ihr die Idee, sich als Betreiberin eines Näh-Cafés selbstständig zu machen. Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) habe ihr sofort zugeraten; die Stadt habe sie bei der Raumsuche unterstützt. Die Einrichtung erwarb sie in einem Sozialkaufhaus. Die passe gut zu ihrer Kundschaft, meint Lechner. Bei vielen erlebe sie gerade eine Rückbesinnung auf frühere Werte: „Viele merken, dass man sich Kleidung auch selbst nähen kann.“

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