Der Pflichtteil ist Pflicht

TRIER. (red/sas) Niemand hat einen Anspruch auf eine Erwähnung im Testament. Doch wird es für die Erben zum finanziellen Problem, wenn die engsten Angehörigen übergangen werden. In der Serie „Erben und Vererben“ in Zusammenarbeit mit der Notarkammer Koblenz gibt der TV Tipps zum Pflichtteil.

Durch Testament kann grundsätzlich jeder über sein Vermögen frei verfügen, also auch bestimmte Personen von der Erbfolge ausschließen. Besonders nahe Angehörige aber, nämlich die Kinder (oder deren Nachkommen), die Eltern und der Ehepartner des Erblassers gehen auch dann nicht völlig leer aus: Sie haben einen Pflichtteilsanspruch. Für Verwandte besteht dieser Anspruch allerdings nur in einer bestimmten Reihenfolge: Leben etwa Kinder des Erblassers (Erben erster Ordnung), so haben seine Eltern (Erben zweiter Ordnung) keinen Anspruch. Dem Ehepartner des Verstorbenen steht dagegen immer der Pflichtteil zu, von wenigen Ausnahmen abgesehen - etwa wenn ein Scheidungsantrag gestellt ist.

Der Höhe nach besteht der Pflichtteil in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Der Anspruch ist jedoch nur ein Geldzahlungsanspruch, so dass der durch Testament Ausgeschlossene nicht Mitglied der Erbengemeinschaft wird und damit auch nicht über die weitere Nutzung etwa des Eigenheimes bestimmen kann. "Hier liegt neben dem wirtschaftlichen Vorteil auch der rechtliche Vorteil eines Testamentes", sagt Thomas Steinhauer, Geschäfstführer der Notarkammer Koblenz.

Beispiel: Ein Ehepaar ist zu gleichen Teilen Eigentümer eines selbst bewohnten Hauses. Sie haben eine Tochter und einen Sohn. Ohne Testament werden die Kinder bei Versterben eines Elternteils unmittelbar Erben und Mitglieder der Erbengemeinschaft: Sie haben mitzubestimmen, ob die Heizung renoviert oder das Dach erneuert wird. Ist ein Testament vorhanden, das den überlebenden Elternteil absichert, haben die Kinder nur einen Geldzahlungsanspruch (Pflichtteil). Der gesetzliche Erbteil jedes Kindes beträgt je ein Viertel, der Pflichtteil die Hälfte hiervon, also je ein Achtel. Ist das Haus der Eheleute 400 000 Euro wert, so beträgt der wertmäßige Erbanspruch der Kinder bei Versterben des Vaters je ein Viertel von 200 000 Euro, da nur die Hälfte des Hauses zum Nachlass gehört. Während also der Erbanspruch wertmäßig je 50 000 Euro beträgt, beläuft sich der Pflichtteilsanspruch nur auf die Hälfte hiervon, also je 25 000 Euro.

,Meine Kinder werden solche Ansprüche nicht geltend machen.' Dieses Vertrauen vieler Eltern kann jedoch trügerisch sein", sagt Steinhauer. Ein Pflichtteilsanspruch müsse aber immer ausdrücklich geltend gemacht werden. Er verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Tod und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung von Todes wegen hat.
Nur in wenigen, im Gesetz geregelten Ausnahmefällen können Eltern einem Kind auch den Pflichtteil entziehen. Die im Gesetz geregelten Ausnahmen spielen allerdings in der Praxis nur eine sehr geringe Rolle.

Wichtiger ist hier die Möglichkeit, in einem notariellen Vertrag einen Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht zu erklären. Ein solcher Verzicht kann entgeltlich oder unentgeltlich erfolgen. Er kann gegenüber beiden Eltern oder nur gegenüber dem erstversterbenden Elternteil erklärt werden.

Der Pflichtteil berechnet sich nur aus dem Nettonachlass, also unter Abzug von Schulden. Dazu sind auch alle Gegenstände hinzuzurechnen, die der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod verschenkt hat. Bei Schenkungen an den Ehegatten beginnt diese Zehn-Jahres-Frist erst mit Auflösung der Ehe, gegebenenfalls dem Tod. Hierdurch setzt der Gesetzgeber willkürlichen Übertragungen zur Aushöhlung des Pflichtteilsrechts Schranken.

Am Montag, 13. November, lesen Sie in unserer Reihe "Erben und Vererben", wie man bereits zu Lebzeiten eine vorweggenommene Erbfolge arrangieren kann.

Infos gibt es beim "1. Trierer Erbrechtstag" am 23. November, 19 Uhr, in der Sparkasse Trier, Theodor-Heuß-Allee. Die Sparkasse Trier und die Notarkammer Koblenz informieren in Kooperation mit dem TV zu Erbrecht, Erbschaftssteuer und Testament. Eintrittskarten gibt es bei allen Filialen der Sparkasse Trier.

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