Garten Blütenzauber im Unterholz

Trier · TV-Garten im März: Mit Frühlingsteppichen beginnt das Gartenjahr unter Laubbäumen und im Schutz von Sträuchern. Wie ein Pflanzenreich nach dem englischen Waldgartenideal aussehen kann, hat der TV bei einem luxemburgischen Schneeglöckchen-Sammler entdeckt.

 Mit dem Schneeglöckchengriff erkennt man die ganze Schönheit der gefüllten Sorte Hippolyta.

Mit dem Schneeglöckchengriff erkennt man die ganze Schönheit der gefüllten Sorte Hippolyta.

Foto: Kathrin Hofmeister

Noch stehen die Gehölze im Waldgarten unbelaubt da und lassen genügend Licht für die sonnenhungrigen Zwiebelblumen und früh blühende Schattenstauden durch. Später spannen sie einen Baldachin aus Blattwerk und schaffen damit wieder optimale Bedingungen für Pflanzen, die sich an den schattigen Lebensraum angepasst haben.

Als Emile Becker seinen Garten vor 38 Jahren anlegte, schwebte ihm die Idee von einem Waldgarten vor: Im Sommer kann man die angenehme Kühle genießen. Im Winter erfreut man sich an Rindenschmuck. Der Herbst wartet mit schöner Blattfärbung auf. Und die intensivste Zeit im Pflanzenjahr lässt sich feiern vom Beginn der Schneeglöckchenblüte bis zu den Hasenglöckchen, Lenzrosen, Lungenkräutern, Elfenblumen und vielen anderen Frühlingsblühern.

Anregungen fand der anglophile Reiselustige aus Luxemburg im Mutterland der Waldgärten Großbritannien. Im „Woodland-Garden“ bilden einheimische Wildpflanzen eine Gemeinschaft mit Exoten. Der Waldgarten entwickelte sich Mitte des 19. Jahrhunderts aus einer Naturgartenbewegung. Der irische Gärtner und einflussreiche Gartenjournalist William Robinson hatte ihr mit seinem Bestseller „The Wild Garden“ (Der Wildgarten) zum Durchbruch verholfen. Die wachsende Popularität des Waldgartens war inspiriert von der romantischen Schule, hatte aber auch mit der zunehmenden Einfuhr ausländischer Pflanzenarten zu tun. Spätestens als die Rhododendren in England eintrafen, wurde den Gartenbegeisterten bewusst, dass man den Gästen aus dem Himalaya geschützte, waldähnliche Bedingungen schaffen musste.

 Teppiche von Winterlingen (Eranthis hyemalis) eröffnen die Saison.

Teppiche von Winterlingen (Eranthis hyemalis) eröffnen die Saison.

Foto: Kathrin Hofmeister
 Natursteinwege schlängeln sich durch den Waldgarten.

Natursteinwege schlängeln sich durch den Waldgarten.

Foto: Kathrin Hofmeister

Auch Emile Becker hat Pflanzen aus allen Erdteilen zusammengetragen. Zum Teil stehen sie nach ihrer Herkunft, in geographisch geordneten Beeten unter den Baumkronen zusammen. „Am Anfang muss man die Bäume aufasten“, erklärt der Hobbygärtner. Indem man die unteren Äste entfernt, bringt man die nötige Luftigkeit in den Raum. Und auch sonst sorgt der ehemalige Berufsschullehrer für den Durchblick. Sträucher lichtet er so aus, dass sie transparent bleiben. Der so entstandene Waldgarten lässt sich auf geschlängelten Wegen durchwandern. Im inneren Gartenteil hat Emile Becker langlebige Bäume wie Eiche, Esskastanie und Ahorn gepflanzt. Auch Ebereschen spielen als Grundgerüst eine Rolle. Rundherum hat er den Garten mit Pioniergehölzen eingefriedet. Birken wachsen schnell auf und schaffen innerhalb kurzer Zeit eine Waldatmosphäre. Pappeln und Weiden boten sich als feuchtigkeitsliebende Schnellstarter am Wasser an. Hinter dem Garten schlängelt sich ein Bach. „Das ist die Birmecht“, sagt der Luxemburger und geht weiter zu seiner Wasserlandschaft mit zwei Teichen und einem Bachlauf, der an der Ostseite des Gartens hinabplätschert. Wasser belebt einen Waldgarten nicht nur ästhetisch. „Im zeitigen Frühjahr tritt das Wasser hier häufig über die Ufer und versorgt die Pflanzungen mit der nötigen Feuchtigkeit.“ Nicht nur die Schneeglöckchen profitieren von der Frische. „Ohne die Feuchtigkeit wären die Galanthus lange nicht so schön.“ Emile Becker wählt den botanischen Namen und kommt auf den Urheber des revolutionären Namensystems Carl Linné zu sprechen. Neben dem Engländer Charles Darwin, der das Naturverständnis mit seiner Evolutionslehre grundlegend veränderte, gehört der Schwede Linné für den Luxemburger zu den wichtigsten Persönlichkeiten im Gärtnerleben. Und er erklärt auch warum: „Linné hat die Pflanzen geordnet. Der Botaniker hat erkannt, dass man etwas gegen den Namenswirrwarr machen muss. In Deutschland sprachen sie von Schneeglöckchen, in Frankreich hieß es Perce-neige und in England war von Snowdrops die Rede.“ Um sich international zu verständigen, ersann Linné, ähnlich Vor- und Nachname, einen botanischen Gattungsnamen und einen Artnamen. Dazu tritt der Sortenname. Emile Becker ist selber leidenschaftlicher Schneeglöckchen-Sammler. Da ist die Sorte wichtig. Wer einem Spezialisten einmal zugehört hat, wie er an der Galanthus-nivalis-Sorte ‘Virescens’ auf die grüne Zeichnung am äußeren Rand der sonst weißen Blütenblätter aufmerksam macht oder über ‘The Pearl’ mit besonders feinem Laub schwärmt, kann verstehen, wie schnell man dem Reiz der ersten Frühlingsblumen erliegen kann. Und sie sind erst der Anfang im Garten der vier Jahreszeiten.

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