Psychologie Beziehung: Zwischen Nähe und Freiheit

Trier · Die wichtigsten Antworten auf unsere Leserfragen zur Telefonaktion.

() Aus heiterem Himmel hat mich mein Freund verlassen. Er hatte noch nie eine längere Beziehung. Ich frage mich ständig, was ich falsch gemacht habe. Vielleicht hat es ihn überfordert, dass er sich hin und wieder um meine Kinder gekümmert hat.

Stefanie Stahl, Diplom-Psychologin und Bestseller-Autorin aus Trier: Es deutet darauf hin, dass er unter Bindungsangst leidet. Die Suche nach den eigenen Fehlern führt dabei meist ins Leere. Bindungsangst ist ein Muster, das in der Kindheit erworben wird und meist nichts mit der aktuellen Beziehung zu tun hat. Deshalb sollte man die Verantwortung auch bei dem bindungsängstlichen Menschen lassen und sich nicht mit Fragen quälen, was man falsch gemacht hat.

Ich hatte früh geheiratet und war 20 Jahre in der Ehe. Danach habe ich es sehr gemocht zu flirten, habe mich dann wieder gebunden. Mein neuer Partner klammert so sehr. Wir verstehen uns gut, er gibt mir Sicherheit, aber verliebt bin ich nicht, und er geht mir oft auf die Nerven. Was soll ich tun?

Stahl: Reden Sie offen mit ihm und formulieren Sie klar, was Sie an der Beziehung stört. Sie haben einen inneren Konflikt: Da ist der große Wunsch nach Freiheit, aber auf die Sicherheit möchten Sie nicht verzichten. Vielleicht wagen Sie den Schritt, erst einmal allein zu leben.

Ich bin Mitte 20 und gerne mit meinem Freund zusammen. Aber wenn ich allein bin, zweifele ich stark an uns.

Stahl: Es gibt Menschen, die sich in einer Partnerschaft verlieren, die überangepasst sind. Wichtig ist, dass Sie lernen, zu spüren, was Sie wollen und dies dem Partner sagen.

Ich hatte mich Hals über Kopf verliebt, habe alles aufgegeben. Jetzt, da die Beziehung gescheitert ist, und ich zurück bin, habe ich erst gemerkt, was ich verloren habe. Ich habe Angst mich wieder zu binden, obwohl ich mich danach sehne. Bin ich beziehungsunfähig?

Ludger Brünnette, Diplom-Psychologe und Leiter der Lebensberatungsstelle des Bistums Trier in Wittlich: Nach der Hochphase in ihrem Leben haben Sie festgestellt, dass ein Partner nicht alle Ihre Bedürfnisse erfüllen kann und auch nicht alles ersetzen kann, was sie aufgegeben haben. Jetzt, so scheint es, haben Sie Angst, noch einmal solch´ einen „Fehler“ zu begehen und trauen Ihren Gefühlen nicht mehr. Wichtig ist, dass sie lernen, sich wieder zu vertrauen und Ihrer Sehnsucht nach einer guten Beziehung achtsamer nachzugehen. Was einem im Leben wichtig ist, muss man wagen – aber setzen Sie dabei nicht alles aufs Spiel.

Ich bin über 60 und habe seit Jahren keine Beziehung mehr. Von einer Partnerin habe ich klare Vorstellungen und kann wenige Kompromisse eingehen.

Stahl: In einer Partnerschaft ist es wichtig, eigene Bedürfnisse zu vertreten, aber es braucht auch eine gewisse Anpassungsfähigkeit. Beziehungsfähige Menschen können beides: sich behaupten UND nachgeben. Bei Ihnen fehlt es offenbar an der Nachgiebigkeit. Wenn Sie eine glückliche Beziehung führen möchten, ist es ratsam, dass Sie an Ihrer Toleranz, Kompromissfähigkeit und Gelassenheit arbeiten, ansonsten wird es mit der Beziehungsfähigkeit nicht klappen.

Stefanie Stahl ist Bestsellerautorin („Jeder ist beziehungsfähig“). Ihr Buch „Das Kind in dir muss Heimat finden“ steht seit 217 Wochen auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste. Sie ist eine gefragte Expertin auch in Talkshows: www.stefaniestahl.de