Einwandfrei und doch im Müll

Unvorstellbare Mengen von Nahrungsmitteln werden allein in Deutschland in einem Jahr vernichtet. Nicht etwa, weil sie verdorben sind. Eher aus mangelnder Achtsamkeit. Verbraucherministerin Ilse Aigner will das ändern.

Berlin. Wer einen Blick in die Container hinter einem Supermarkt oder am Rande eines Wochenmarktes riskiert oder wer couragiert in die Mülltonne vor der Haustür schaut, der wird sie finden: Lebensmittel, oft sogar noch verpackt und in einwandfreiem Zustand.

In Deutschland landen jährlich geschätzte 20 Millionen Tonnen Nahrung auf dem Müll. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) ruft deshalb dazu auf, sorgsamer mit Lebensmitteln umzugehen. Außerdem sollen verpflichtende Abfallvermeidungspogramme eingeführt werden.

Ethisches Problem



"Was mich stört, ist der oft unachtsame Umgang mit Nahrungsmitteln", sagte die Ministerin zu unserer Zeitung. "Ich würde mir wünschen, Lebensmittel hätten in Deutschland einen höheren Stellenwert und würden wieder mehr Wertschätzung genießen." Dass jährlich bis zu 20 Millionen Tonnen auf dem Müll landeten, sei ein "ethisches Problem und eine Verschwendung von Ressourcen". Angesichts des Hungers auf der Welt, der Preise für Nahrungsmittel und der bei der Produktion unvermeidlichen Umweltbelastung müsse es in der Wegwerfgesellschaft ein Umdenken geben. "Wir sollten bewusster genießen, uns bewusster ernähren und auch bewusster einkaufen", gab Aigner zu bedenken.

Unlängst hatte die Gesellschaft für Konsumforschung errechnet, dass jeder Haushalt pro Jahr Nahrung im Wert von durchschnittlich 400 Euro wegwirft. Genaue Daten und Informationen zu Lebensmitteln im Müll sind allerdings nach wie vor spärlich. Aigner hat deshalb eine Studie in Auftrag gegeben, mit der belastbare Erkenntnisse gesammelt werden sollen.

Ähnliches ist in Nordrhein-Westfalen bereits auf den Weg gebracht worden. Außerdem soll mit der anstehenden Novelle des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes die Verpflichtung für Bund und Länder eingeführt werden, sogenannte Abfallvermeidungsprogramme zu erstellen. Auch für Lebensmittel.

Was beim Supermarkt in der Mülltonne landet, schöpfen nur zum Teil Wohltätigkeitsverbände ab. Die Läden geben Lebensmittel auch nicht an bedürftige Einzelpersonen ab. Einerseits auf Grund strenger Auflagen des Gesundheitsamtes, andererseits, weil der, der etwas geschenkt bekommt, nicht einkauft. Es gibt daher Menschen, die sich ihr Essen "illegal" aus den Containern hinter dem Supermarkt holen. Aus purer Not, oder aber aus Protest gegen die Verschwendung.

Kritik an Überproduktion



"Viele Speisereste sind schließlich noch einwandfrei", heißt es beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Aigners Appelle seien nicht verkehrt, allerdings müsse die Ministerin auch dafür sorgen, dass die Überproduktion von Lebensmitteln in der Europäischen Union nicht mit Steuermitteln gefördert werde. Zugleich seien die Lebensmittelkonzerne gefordert: "Vom Umsatz getrieben" spiele das Thema Vermeidung und Verschwendung nach wie vor "eher eine sekundäre Rolle".

Aber auch die Verbraucher sind gefordert. Aigner rät: "Auch wenn's altmodisch klingt - wer sich vor dem Einkauf Gedanken macht und einen Einkaufszettel schreibt, ärgert sich hinterher seltener, dass er wieder einmal zu viel oder das Falsche eingekauft hat."

Auch der BUND empfiehlt allen Verbrauchern, eine Einkaufsliste anzufertigen. Nahrungsmittel, die nicht in absehbarer Zeit verbraucht würden, seien im Gefrierfach besser aufgehoben. Denn die allermeisten Lebensmittel ließen sich zwischen sechs und zwölf Monaten ohne Bedenken einfrieren.

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