Fahrplan für Bildung ohne Einbahnstraßen

Trier · Die Wahl Gymnasium oder Realschule plus entscheidet nicht zwangsläufig über die Karriere eines Kindes. Denn das Bildungssystem in Rheinland-Pfalz bietet viele Möglichkeiten, um weiterzukommen. Vielen Eltern und Schülern fehlt aber die Information über die Angebote.

Trier. Andreas Müller ist 32 Jahre alt. Sein Lebenslauf ist ein Paradebeispiel dafür, wie eingeschlagene Bildungslaufbahnen korrigiert werden können: Der Mann aus Bekond (Verbandsgemeinde Schweich) ist heute Lehrer an der Berufsbildenden Schule Gewerbe und Technik. Dabei hatte sich bei ihm nach der Mittleren Reife ein ganz anderer Weg abgezeichnet: Müller machte eine Lehre zum Verwaltungsfachangestellten.Zukunft Bildung in der Region


Nach einigen Berufsjahren entschloss er sich, wieder die Schulbank zu drücken. Diesmal in einer Fachoberschule in Teilzeit. Einem Lehrer fiel Müllers Talent auf. Er animierte ihn weiterzumachen, um selbst einmal an der Tafel zu stehen und junge Menschen unterrichten zu können.
Angespornt von den mutmachenden Worten und dem eigenen Wunsch, seinen Traumberuf zu realisieren, besuchte Müller die Berufsfachoberschule II und studierte anschließend an der Trierer Universität Mathematik und Politikwissenschaften auf Lehramt für Gymnasien.
Für Brigitte Fischer, Leiterin der Abteilung Schule und Kultur der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), ist eine solche Laufbahn nichts Ungewöhnliches: "Es gibt keine Sackgassen in Rheinland-Pfalz. In allen Bildungswegen gibt es Querverbindung." Sie ist von der Struktur des Bildungsangebotes in Rheinland-Pfalz und in der Region Trier überzeugt. So sei es zum Beispiel auch möglich, über den Beruf zum Studium zu kommen. "Auch ein Tischler kann bei entsprechendem Interesse und Engagement Medizin studieren." Über den Erfolg der jungen Leute, die über den zweiten Bildungsweg an der Universität Trier studieren, kann deren Sprecher Peter Kuntz keine Aussage treffen. Solche Zahlen, etwa von Studienabbrüchen, würden nicht ermittelt. So lassen sich Vermutungen nicht belegen, dass der Boom zum Gymnasium letztlich zu mehr überforderten Studenten führt, weil diese von Beginn an möglicherweise besser mit einem mittleren Bildungsabschluss und einer Berufsaufbildung gefahren wären.
ADD-Schulreferentin Brigitte Fischer weiß, dass es noch nicht gelingt, allen Eltern frühzeitig die vielen Möglichkeiten der unterschiedlichen Bildungswege aufzuzeigen. "Wenn es um die richtige Schulwahl geht, müssen Eltern wissen, was ihr Kind braucht. Dabei ist es auch wichtig, die Grundschulempfehlung ernst zu nehmen."
Die Entscheidung für Gymnasium oder Realschule plus muss bei ähnlicher Begabung tatsächlich nichts über den späteren Bildungsabschluss und die Karriere des Kindes aussagen. Das hat ein Londoner Wissenschaftler herausgefunden (der TV berichtete). Laut dem zweiten Bericht "Zukunft Bildung" der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung ist auch in der Region Trier der bundesweite Trend zum Gymnasium zu beobachten. In den Landkreisen der Region allerdings ist nach wie vor die Mittlere Reife der häufigste Abschluss.
Im vergangenen Jahr wurde als Weiterführung des Bundesprojekts "Lernen vor Ort", das kommunale Bildungsmanagement in der Stadt Trier installiert. Nun geht es darum, die vielen in den Vorjahren mit erheblichem Aufwand erarbeiteten Angebote und Informationsplattformen in der Gesellschaft bekannter zu machen. Caroline Thielen-Reffgen war von Beginn an bei dem Projekt dabei und koordiniert nun das Bildungsmanagement in Trier. Sie verweist besonders auf ein interaktives Informationsangbot für Eltern, Schüler, aber auch Lehrer: "Unsere Internetplattform Trierer Lupe zeigt, dass das Leben nicht mit dem Hauptschulabschluss zu Ende ist. Es gibt tolle Bildungsmöglichkeiten und Angebote. Allerdings müssen wir es noch besser schaffen, das System transparent zu machen." Ein interessantes Instrument dazu ist die Trierer Lupe (siehe Extra). Sie bietet einen Fahrplan für individuell optimale Bildungswege. Sackgassen, das ist eine Erkenntnis, gibt es in Rheinland-Pfalz nicht. Zumindest nicht für die, die lernen wollen.
Im abschließenden Teil unserer Serie wird am Mittwoch unter anderem das Thema Berufsorientierung eine wichtige Rolle spielen. Alle Beiträge finden Sie im Internet unter der Adresse
volksfreund.de/bildungExtra

In Rheinland-Pfalz führen viele Wege zu einem schulischen Abschluss. Dabei gibt es eine Vielzahl von Querverbindungen, auch aus dem Berufsleben. Schüler und Eltern sind häufig unzureichend über die vielen Möglichkeiten informiert. Eingeschlagene Bildungs- und Berufslaufbahnen können korrigiert werden. kat/r.n.Extra

Die Trierer Lupe ist eine interaktive Informationsplattform im Internet. Sie stellt die Bildungswege in Rheinland-Pfalz und deren Beziehungen zueinander dar. Das Schaubild wirkt dabei ähnlich wie ein Linienfahrplan. Was bei Bussen und Bahnen Strecken sind, sind in der Lupe die Lernorte, Haltestellen entsprechen den Bildungsabschlüssen. Mit einem Klick auf die jeweilige Haltestelle erhalten die Nutzer umfassende weiterführende Informationen. Dabei wird auch die Darstellung immer differenzierter. Neben den allgemeinen Informationen zum Schulsystem und den Bildungswegen in Rheinland-Pfalz werden für die Stadt Trier alle Bildungseinrichtungen detailliert dargestellt. Die Trierer Lupe ist über das Internet zugänglich oder über einen großen Touchscreen-Terminal in der Stadtbibliothek Trier im Palais Walderdorff. kat/r.n.

trierer-lupe.de www.vielewege.rlp.de

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