Generation Y: Sie sind jung und sie brauchen den Sinn

Geschimpft wird gerne, mit Vorliebe über "die Jugend von heute". Doch die hat längst erkannt: Meckern bringt gar nichts, einfach mal machen dagegen viel. Teil elf der TV-Serie "Generation Y" beleuchtet deren Willen, in ihrer Freizeit unentgeltlich zu helfen.

"Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen."
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Für einen 17-Jährigen wirkt er ziemlich ernst. Vielleicht ein wenig zu ernst. Wo ist die jugendliche Leichtigkeit? Und wenn er die jetzt nicht hat, wird er das irgendwann, wenn das Leben wirklich schwer auf ihm lastet, bereuen? Solche Gedanken kommen seinem Gesprächspartner kurz in den Sinn, bevor man merkt, dass man etwas verwechselt hat. Dass es gar nicht Ernsthaftigkeit ist, die er ausstrahlt, wenn er von seinem Engagement im Trierer Jugendparlament erzählt. Sondern Entschlossenheit. Das feste Vorhaben, sich für seine Idealvorstellung einer Gesellschaft einzusetzen, Sinn zu stiften, andere zu überzeugen und einen Unterschied zu machen.
"Ich finde es schade, dass unsere Gesellschaft heute so von Leistung geprägt ist und nicht von Solidarität", sagt Fabian Sinh Schmand aus Trier. "Viele kümmern sich mehr um sich als um andere. Dabei ist es so wichtig, dass wir uns einbringen und für andere einsetzen." Deshalb wollen der Schüler und seine Mitstreiter vom Trierer Jugendparlament mit gutem Beispiel vorangehen. Ganz im Sinne Gandhis die Veränderung sein, die sie sich selbst für die Welt wünschen.Gemeinschaft ist gut


Damit stehen sie nicht alleine da. Denn die Bereitschaft unter jungen Menschen, sich ehrenamtlich zu engagieren, hat zugenommen, wie überregionale und regionale Studien zeigen (siehe Hintergrund). "Hilfsbereitschaft, Gemeinschaftsorientierung und soziale Verantwortung sind feste Größen in ihrem Werteverständnis", schreibt etwa Professor Dr. Waldemar Vogelgesang von der Universität Trier in seiner Präsentation "Jugend in Trier".

Moment mal. Die Jugend von heute, sind das nicht die, die alles über Youtube, Snapchat und Playstation wissen, aber nicht, wer Bundeskanzlerin ist? Die alles im virtuellen Leben können, aber nichts im realen?
"Ach", sagt David Schlösser aus Salmtal (VG Wittlich-Land) und winkt ab. "Hätte es Videospiele, Smartphones & Co. vor 50 Jahren schon gegeben, hätten sie die Jugendlichen damals auch genutzt." Er findet, dass oft zu schlecht von der Jugend gesprochen wird, und er liefert den besten Beweis dafür gleich mit seiner eigenen Geschichte mit: Es ist der 26. Dezember 2004, als ein Tsunami auf die Küsten des Indischen Ozeans trifft und mehr als 250 000 Menschen das Leben kostet.
Der damals 16-jährige David ist von den Bildern ebenso schockiert wie seine Freunde. "Wir haben über die Katastrophe geredet, plötzlich war die Idee da. Wir wollten schnell ein paar Euro zusammenbekommen, um zu helfen." Bei den Jugendlichen standen Konzerte hoch im Kurs, und so kam eines zum anderen: "Innerhalb von zwei Wochen haben wir ein Konzert zugunsten der Opfer organisiert." Aus heutiger Sicht muss er zugeben: "Wir sind einfach ins Blaue gestürmt." Und doch sprechen die Zahlen für sich: drei Bands, 800 Besucher, 8200 Euro Erlös für die Opfer der Naturkatastrophe. Später folgte die Gründung des Vereins Wir wollen helfen e.V., und bis heute haben sie 100 000 (in Worten: einhunderttausend!) Euro für gute Zwecke gesammelt.
Ein Konzert, das Unterhaltung und schnelle Hilfe brachte. Und mit dem Vorurteil aufräumt, dass Engagement und Spaß nicht zusammenpassen.
Im Gegenteil, sagt Carsten Müller-Meine, Geschäftsführer der Ehrenamtsagentur Trier: "Eine freiwillige Tätigkeit soll Sinn geben und Spaß machen. Wenn ich nicht mehr gerne hingehe, dann muss ich etwas anderes machen oder ganz aufhören."
Da wären also Sinn und Spaß. Aber wie sieht es mit Wertschätzung aus? Der heute 27-jährige David Schlösser hat nicht nur positive Erfahrungen gemacht: "Von der breiten Masse bekommen Ehrenamtliche selten die Wertschätzung, die sie verdienen."Zu wenig Wertschätzung


Beispiel Freiwillige Feuerwehr: "Die werden oft als Party- und Saufvereine angesehen, während die von der Berufsfeuerwehr die Helden sind. Dabei werden 80 Prozent der Einsätze in Rheinland-Pfalz von den Freiwilligen Feuerwehren übernommen."
Nina Regenhardt (17) vom Trie rer Jugendparlament ist überzeugt davon, dass junge Menschen es selbst in der Hand haben, mit den ewig langweiligen Vorurteilen über ihre Generation aufzuräumen. "Ich kann mit meinem Engagement das Gegenteil beweisen. Wir können die Älteren selbst dazu bringen, ihre Meinung zu revidieren und zu zeigen, dass Jugendliche viele Facetten haben."

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Wer das wenig schmeichelhafte Eingangszitat geäußert haben soll? Der Philosoph Aristoteles, irgendwann zwischen 384 und 322 vor Christus. Vielleicht ist das ja eines der größten Probleme einer jeden Jugend: dass sie von den älteren Generationen gnadenlos verkannt wird.

Was bewegt die Jugend? Wie verändert sie die Gesellschaft? Fragen, die der TV in der Serie "Generation Y" beantwortet - eine Generation, geboren nach 1975 und benannt nach dem englischen Wort why (warum). Im nächsten Teil geht es um Subkulturen und Mainstream. Weitere Serienteile, Videos und Bilder auf www.volksfreund.de/genyExtra

Hier gibt es weitere Informationen zu den im Text angesproch enen Institutionen: Ehrenamtsagentur Trier Telefon 0651/9120702, www.ehrenamtsagentur-trier.deVerein "Wir wollen helfen" Telefon 06578/7393, www.wirwollenhelfen.orgJugendparlament Trier Telefon 0651/99375831, www.trierer- jugendparlament.de
becExtra

"Im Vergleich zu den Vorjahren sind immer mehr Jugendliche sozial engagiert: 39 Prozent setzen sich häufig für soziale oder gesellschaftliche Zwecke ein" - zu diesem Ergebnis kommt die Shell Jugendstudie 2010, bei der in ganz Deutschland über 2600 junge Menschen zwischen zwölf und 25 Jahren befragt wurden. Was im Großen gilt, kann Prof. Dr. Waldemar Vogelgesang von der Universität Trier auch im Kleinen - räumlich gesehen - bestätigen. In seiner Studie "Jugend in der Region" kommt der Soziologe zu dem Schluss, dass die Jugendlichen "mehrheitlich keineswegs auf einem ,antisozialen Ego-Trip'" sind, wie oft unterstellt werde. Während im Jahr 2000 nur 20 Prozent die Frage nach einem ehrenamtlichen Engagement bejahten, waren es 2011 schon 32 Prozent. Vogelgesang präsentiert zudem interessante "Ehrenamtshindernisse". Besonders auffällig: Im Jahr 2000 gaben 36 Prozent der befragten Jugendlichen an, keine Lust zu haben, sich zu engagieren. 2011 nannten nur noch 21 Prozent diesen Grund. Gestiegen ist hingegen der Anteil bei der Antwort "Keine Zeit (wegen Schule/Ausbildung/Beruf)" (2000: 82 Prozent, 2011: 87 Prozent) und bei der Aussage "Mich hat noch niemand gefragt" (2000: 54 Prozent, 2011: 65 Prozent). bec

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