Herz an Herz - Lebkuchen-Botschaften von der Wiesn

München (dpa) · Das Lebkuchenherz gehört zum Oktoberfest wie die Maß Bier und das Brathendl. Meist kommt die Ware von der Stange, bei Michael Schifferl aber wird noch auf Wunsch verziert und geschrieben.

Michael Schifferl setzt die Spritze an den Lebkuchen. Mit geübten Schlenkern malt der 53-Jährige Buchstaben aus Zuckerguss. „For Theo“ prangt nun auf dem weiß-blau umrandeten Herzen. Bis zu 500 Wiesn-Herzen verkaufe Schifferl pro Tag, sagt er. Schon seit 1998 ist er jährlich in seiner rosa Bude auf dem Oktoberfest dabei. Der Münchner ist einer der letzten „Herzlmaler“, die die berühmten Lebkuchenherzen noch eigens auf Bestellung verzieren. In den verlangten Sprüchen spiegelt sich auch das Seelenleben des Wiesn-Publikums.

„Es gibt schon Leute, die draufschreiben "Ich liebe mich". Das sind dann die Vollegoisten“, sagt Schifferl. Die Kassenschlager aber seien seit Jahren: „Für meinen Schatz“ oder einfach „Ich liebe Dich“. Auch Heiratsanträge per Lebkuchen hauen Schifferl längst nicht mehr um. 40 bis 50 sind es allein während des Oktoberfestes - zuverlässige Statistiken über die Erfolgsquote dieser Botschaften gibt es nicht.

An Wünsche nach asiatischen Schriftzeichen oder kyrillischen Buchstaben hat sich der Münchner ebenfalls längst gewöhnt. Die Kunden schreiben vor, Schifferl schreibt ab. Fragen werfen dafür so manche deutsche Sprüche auf. Ein neuer Kundenwunsch wird in die Stube gereicht: „Für meine Erstverkäuferin“ soll Schifferl schreiben. Er macht es, fragt sich aber auch, was das zu bedeuten hat. „Da fängt das Rätselraten schon an.“ Bei anderen Sprüchen, oft auch denen mit recht eigenwilligen Kosenamen, verliert Schifferl auch schon mal seine Ernsthaftigkeit.

Das Oktoberfest-Herz ist einer der Klassiker auf dem größten Volksfest der Welt. „Es kommt von Herzen“, meint Wiesn-Sprecherin Gabriele Papke. Dabei sei es vor allem die wortlose Geste, die das Herz zum Dauerbrenner mache: „Es sagt etwas aus, ohne dass man sprechen muss. Und es ist ein Souvenir.“ Über 100 Stände auf der Theresienwiese verkaufen die Süßigkeit, die übrigens noch bis zu zwei Jahre nach dem Kauf essbar ist - wenn man den Verzehr überhaupt übers Herz bringt.

Beliefert werden die Buden unter anderem von der Konditorei „Zuckersucht“ aus Aschheim bei München. Die Firma liefert im Moment täglich etwa 40 000 fertige Herzen mit 120 verschiedenen Sprüchen aus - die gehen nicht nur nach München, sondern werden europaweit verschickt, erzählt Inhaber Bernd Dostler. „Es ist gerade einfach überall Oktoberfest.“

Den Anteil seiner Firma an den Wiesn-Herzen schätzt Dostler auf 40 Prozent. Der Trend gehe dabei zu immer größeren Herzen: „Der Druck aus der Damenwelt ist hier natürlich enorm, denn das größte Spatzl will natürlich das größte Herz haben.“ Die Männer müssten dann halt zahlen.

Die größten Herzen, die vor Michael Schifferls Laden auf dem Oktoberfest hängen, wiegen stattliche 1,6 Kilo und haben einen Durchmesser von 60 Zentimetern. Einige würden von Männern gekauft, die alleine auf dem Oktoberfest feierten. Nach drei Maß und dem einen oder anderen Flirt zu viel packe sie schon einmal das schlechte Gewissen. „Wenn man mit einem Herzl zu Hause ankommt, ist das dann gar nicht mehr so schlimm.“ Schifferl weiß um die friedensstiftende Wirkung seiner Lebkuchen.

Selbst im Angesicht des Todes sind seine Künste gefragt. Ein Mann habe einmal 50 Herzen im Auftrag seiner Mutter bestellt. Die Frau lag im Sterben und wollte Angehörige und Pfleger ein letztes Mal beschenken. Der Spruch lautete „Ich bin dann mal weg“.

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