KArriere Berater

In kaum einem Land, Österreich ausgenommen, ist der Titelglaube so groß wie in Deutschland. Doch die Gläubigen sitzen nicht unbedingt in den Personalabteilungen.

Die Buchstaben "Dr." können sogar zum Stolperstein werden. Die Firmenvertreter interessiert vor allem, mit welcher Zielsetzung ein Kandidat promoviert hat. Ist er ein Zauderer, der nach dem Studium nicht wusste, wie\'s weitergehen soll? Ein weltfremder Theoretiker, der möglichst lang im akademischen Biotop verweilen und eigentlich Professor werden wollte? Ist die freie Wirtschaft für ihn nur ein Notnagel? Wer diesen Eindruck vermittelt, hat einen schweren Stand. Er wird bestenfalls in der Forschungsabteilung eines Unternehmens landen, denn hier stehen der Doktor und das wissenschaftliche Denken noch hoch im Kurs. Anders im Alltagsgeschäft, etwa im mittleren Management: In diese rauen Gefilde topft man keine weltfremden Universitätsgewächse um. Hier sind Praktiker gefragt, geschäftstüchtig und erdverbunden. Auch wenn der intellektuelle Anspruch und das Gehaltsniveau einer Stelle nur mäßig ausfallen, ist der Doktortitel ein Warnsignal für Überqualifikation. Wer will schon einen Freischwimmer im Nichtschwimmer-Becken planschen sehen? Zum Trumpf werden die Buchstaben "Dr.", wenn ein High Potential - also eine Nachwuchskraft, die durch besondere persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten einen höheren Wert für das Unternehmen hat - durch seine Promotion gezielt Anlauf für eine Karriere in der Wirtschaft genommen und eine Probe seiner Exzellenz geliefert hat (oder im Vorstellungsgespräch zumindest diesen Eindruck vermittelt!). Das gilt auch fürs Gehalt: Während High Potentials in der Regel 46 000 Euro pro Jahr als Einstiegsvergütung bekommen, bringt es der promovierte High Potential auf knapp 57 000 Euro. Vorschuss auf eine große Karriere! Unser Kolumnist Martin Wehrle (geboren 1970) gehört zu den erfolgreichsten Karriereberatern in Deutschland. Sein aktuelles Buch: "Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus", Econ, 14,99 Euro. Diese und weitere TV-Kolumnen finden Sie auch im Internet auf www.volksfreund.de/kolumne

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