Kinder richtig absichern

Berlin · Stößt einem Kind ein Unfall zu oder erkrankt es schwer, wird das Familienleben vielfach zur Zerreißprobe. Eine Kinderinvaliditätsrente kann zumindest die finanzielle Seite abfedern.

Berlin (dpa) Die Kinderinvaliditätsversicherung führt neben der Unfallversicherung eher ein Nischendasein. Dabei sichert sie den Nachwuchs auch im Falle einer Schwerbehinderung durch Krankheit finanziell ab. Die Stiftung Warentest verweist auf die eindeutigen Zahlen der Schwerbehindertenstatistik. "Von allen schwerbehinderten Kindern sind gut 60 Prozent krankheitsbedingt schwerbehindert geworden", betont Projektleiter Michael Nischalke. "Dagegen sind 0,3 Prozent durch Unfälle schwerbehindert." Peter Grieble, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart, spitzt es noch mehr zu. Wenn ein Kind gesund geboren, im Verlauf seiner Kindheit aber invalide wird, stünden Krankheit und Unfall als Ursache im Verhältnis von 99 zu eins. Er sieht die Kinderinvaliditätsversicherung deshalb auf einer Ebene mit der privaten Haftpflichtversicherung.
Stellen Krankheiten wie Krebs die Hauptursache für oft bleibende Behinderungen bei Kindern dar, leistet eine Unfallversicherung in einer deutlich geringeren Zahl von Fällen als eine Kinderinvaliditätsversicherung ihren Schutz. Das schlägt sich auch in den Kosten nieder: Nach Aussage von Bianca Boss vom Bund der Versicherten müssen Eltern zwischen 300 und 500 Euro jährlich einzahlen, soll ihr Kind im Fall einer Schwerbehinderung, unabhängig, ob durch Krankheit oder Unfall verursacht, eine monatliche Rente von rund 1000 Euro erhalten. Eine Rente in dieser Höhe sollte es nach Ansicht der Experten mindestens sein. Denn, darauf weist Boss hin, die Rente werde vom Sozialamt als Einkommen angerechnet.
Wer auf Grundsicherung angewiesen sei, solle schon einen Mehrwert mit seiner Invaliditätsrente haben. Die Kinderinvaliditätsversicherung (KIV) greift in der Regel dann, wenn das Versorgungsamt einen Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent attestiert hat. Was und wie viel dann gezahlt wird, hängt vom individuellen Vertrag ab.
Üblich ist laut Stiftung Warentest eine monatliche Rente, manche Versicherer bieten zusätzlich eine einmalige Kapitalzahlung an. Die kann wichtig sein, wenn die Wohnung rollstuhlgerecht umgebaut werden muss. "Diese Kombination finden wir am sinnvollsten", rät Versicherungsexperte Nischalke. Andere Gesellschaften wiederum böten ausschließlich eine höhere Kapitalzahlung von etwa 100 000 Euro an.
Wichtiges Kriterium ist außerdem: Ab wann und bis zu welchem Altern wird das Kind versichert? Gängig ist laut den Experten ein Einstiegsalter von einem Jahr, manche Versicherer bieten einen Schutz ab der sechsten Lebenswoche an. Zahlen müssen die Eltern etwa bis zum 21. oder 25. Geburtstag des Kindes. Je eher, desto besser, lautet die Faustregel, wenn man sich für eine KIV entschieden hat. Denn das Kind wird per Fragebogen gesundheitlich eingestuft. "Je länger ich warte, desto mehr kann passieren. In der sechsten Lebenswoche ist noch nicht viel erkennbar. Das Kind ist damit gesund, und man bekommt den Zuschlag", so Grieble.
Der Antrag sollte umfassend und wahrheitsgemäß ausgefüllt werden. "Wenn ich falsch antworte oder wesentliche Angaben weglasse, laufe ich Gefahr, dass der Versicherer mir einen Verstoß gegen die vorvertragliche Anzeigepflicht vorwirft und damit leistungsfrei wird", sagt Nischalke. Die Stiftung Warentest pocht deshalb darauf, dass entsprechende Hinweise im Vertrag kenntlich gemacht werden und kritisiert außerdem, dass oft zu allgemein gefragt werde. "Fragen nach Auffälligkeiten, Störungen und Beeinträchtigungen sind schwer zu beantworten - ist es etwa schon auffällig, wenn ein Kind morgens oft hustet?", fragt Nischalke. "Viele Anbieter schließen Psychosen, Neurosen, Persönlichkeits- oder Verhaltensstörungen aus", ergänzt Boss.
Ob eine Kinderinvaliditätsversicherung abgeschlossen werden kann, hängt letzten Endes vom Geldbeutel der Eltern oder Großeltern ab. Ist das Geld vorhanden, rät die Stiftung Warentest auf jeden Fall, eine KIV der klassischen Unfallversicherung vorzuziehen. Boss hält dagegen eine ausreichende Versicherung der Eltern für am besten. Wer als Eltern keine Risiko-Lebensversicherung oder Berufsunfähigkeitsversicherung hat, brauche über eine Unfall- oder Invaliditätsversicherung für sein Kind gar nicht nachzudenken.
Das sieht Versicherungsexperte Grieble anders. "Es gibt keinen Grund, die Berufsunfähigkeitsversicherung für Eltern höher anzusetzen als die Invaliditätsversicherung für Kinder. Wenn ein Schiff untergeht, dann springen die Eltern nicht ins Wasser, versuchen sich zu retten und lassen das Kind auf dem sinkenden Schiff zurück."
Wie auch immer jeder für sich entscheidet - wichtig ist, sich zu informieren. Und letztlich ist natürlich die Hoffnung aller Eltern die, eine solche Versicherung niemals in Anspruch nehmen zu müssen.

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