Eigene Ernte Zurück zur Natur

Kleingartenvereine in der Stadt erleben seit einigen Jahren ein fulminantes Comeback.

 Die Zeiten, in denen eine eigene Parzelle in einem Schrebergarten als spießig galt, sind vorbei. Heute erfüllen die Anlagen wieder wichtige Aufgaben.

Die Zeiten, in denen eine eigene Parzelle in einem Schrebergarten als spießig galt, sind vorbei. Heute erfüllen die Anlagen wieder wichtige Aufgaben.

Foto: Getty Images/Photomick

Eine Tomate, die rot leuchtet und fruchtig-saftig schmeckt, eine Scholle, die man dank eigener Muskelkraft zum Gedeihen bringt, ein Stückchen Erde, das regional, nachhaltig und zur eigenen Versorgung bewirtschaftet wird: Schrebergärten sind inzwischen hip, beruhigen das ökologische Gewissen und vermitteln eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung.

So philosophisch wird  Willi Eichhorn seinen Garten zwar nicht beschreiben, aber dass zunehmend junge Leute und Familien eine der durch seinen Stadtverband Trier der Kleingärtner betreuten gut 1000 Gartenparzellen haben möchten, freut ihn. Der Geschäftsführer ist Jahrgang 1944 und befindet die Gartenarbeit damals als Kind als „Katastrophe“. „Andererseits haben die Gärten viele Trierer in den Kriegs- und Nachkriegsjahren ernährt und am Leben erhalten“, weiß er. Und diese Erkenntnis, den Essenstisch durch die eigenen Gartenfrüchte zu bereichern, hat sich zu Eichhorns Freude wieder durchgesetzt. „Es wird wieder bewusster angebaut, und viele Gärtner kehren zu alten Tomaten-, Obst- oder Kartoffelsorten zurück“, sagt er.

Diese Rückkehr zur Natur macht sich auch faktisch bemerkbar. „Wir haben jedes Jahr eine Fluktuation von zehn Prozent. Wir haben aber für jeden der zwölf Kleingärtnervereine in der Stadt Trier eine Warteliste mit Menschen, die eine Parzelle pachten möchten“, sagt Eichhorn. Dabei sind gerade die citynahen etwa 350 Quadratmeter großen Areale der stadtweit 285 000 Quadratmeter Kleingartenfläche sehr gefragt, weil diese nicht nur recht ebenmäßig zu beackern sind, sondern auch mit dem Bus, Fahrrad und zu Fuß gut zu erreichen sind. „Sobald eine Parzelle frei wird, ist sie schnell wieder verpachtet“, sagt Triers oberster Kleingärtner.

Dabei gibt es für die Hobbygärtner laut auf Bundesebene vereinbarter Satzung auch Regeln: So sollte etwa ein Drittel der Fläche mit Obst und Gemüse bepflanzt sein, Zäune zum Nachbargrundstück sind unzulässig. „Wir sind eine offene Gärtnergesellschaft“, sagt Willi Eichhorn und verweist auch auf eine zunehmende Zahl von Migranten, die gern eine Gartenparzelle pachten möchten. „Kleingartenvereine sind auch ein Spiegelbild der Gesellschaft, und wir leisten einen erheblichen Beitrag zur Integration“, ist er überzeugt. Aber auch Gartenfeste quer durch die Stadtteilvereine beflügeln den Austausch untereinander.

Und wer dennoch etwas Sichtschutz oder Abgrenzung braucht, für den hat Eichhorn, der selbst seit mehr als 30 Jahren eine Gartenparzelle im mehr als 100 Jahre alten Kleingartenverein im Trierer Altbachtal unterhalb des römischen Amphitheaters bewirtschaftet, Tipps. „Jetzt bald müssen die Bohnen in den Boden. Und ich liebe Bohnen in allen Sorten“, schwärmt Willi Eichhorn. Vor allem die Stangenbohne habe große Vorteile, sagt er augenzwinkernd: „Neben einer leckeren Schnippelches-Supp gibt sie ein schön blühendes Gartendekor ab und braucht eine Rankhilfe, die man gut als Sichtschutz verwenden kann.“

 Willi Eichhorn vom Stadtverband der Kleingärtner Trier erlebte Gartenarbeit als Kind noch als „Katastrophe“.

Willi Eichhorn vom Stadtverband der Kleingärtner Trier erlebte Gartenarbeit als Kind noch als „Katastrophe“.

Foto: Julia Schulz
  Der Arzt Daniel Gottlob Moritz Schreber wollte seine Mitmenschen gesund halten. Der erste „Schreberverein“ wurde nach seinem Tod 1864 in Leipzig gegründet.

Der Arzt Daniel Gottlob Moritz Schreber wollte seine Mitmenschen gesund halten. Der erste „Schreberverein“ wurde nach seinem Tod 1864 in Leipzig gegründet.

Foto: imago stock&people/imago stock
 Klein und von 1896: In Leipzig stehen noch historische Lauben der ersten Schrebergärten.

Klein und von 1896: In Leipzig stehen noch historische Lauben der ersten Schrebergärten.

Foto: picture alliance / botanikfoto/dpa Picture-Alliance / Steffen Hauser
  Tomaten sind der Inbegriff des Eigenanbaus. Kein Wunder, dass sie früher Paradiesäpfel hießen.

Tomaten sind der Inbegriff des Eigenanbaus. Kein Wunder, dass sie früher Paradiesäpfel hießen.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Denisfilm
 Kleingartenvereine sind gefragt. In Trier müssen angehende Gärtner erst die Wartelisten beackern.

Kleingartenvereine sind gefragt. In Trier müssen angehende Gärtner erst die Wartelisten beackern.

Foto: Getty Images/cjp
 Kleingärten in deutschen Städten

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Foto: SZ/Müller, Astrid
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