Krankenkassen wollen mehr Geld

Millionen Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen müssen sich schon in Kürze auf Zusatzbeiträge von mindestens acht Euro einstellen, die nur sie und nicht die Arbeitgeber bezahlen.

Berlin. Am Montag wollen die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK), die AOK Schleswig-Holstein und die Deutsche Betriebskrankenkasse (BKK) die Erhebung von Zusatzbeiträgen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz begründen. Weitere Kassen dürften dann nachziehen.

Woher der plötzliche Geldbedarf?

Die Kassen argumentieren mit ungebremsten Kostensteigerungen und Mindereinnahmen durch die Wirtschaftskrise. Zwar erhalten sie in diesem Jahr einen Extra-Zuschuss aus Steuermitteln in Höhe von 3,9 Milliarden Euro. Es bleibt aber immer noch eine Deckungslücke von vier Milliarden Euro. Rein rechnerisch müsste jeder der rund 51 Millionen Beitragszahler monatlich acht Euro zusätzlich bezahlen, um das Finanzloch zu schließen.

Müssen alle Versicherten mehr bezahlen?

Nein. Wer als Kind oder beim Ehepartner kostenlos mitversichert ist, bleibt ohnehin von Zusatzbeiträgen verschont. Zudem ist die Finanzlage von Kasse zu Kasse sehr unterschiedlich. Manche Institute werden daher in diesem Jahr noch keinen Zusatzbeitrag erheben, andere womöglich gleich mehr als acht Euro.

Gibt es schon Zusatzbeiträge?

Bislang verlangt lediglich eine kleine Betriebskrankenkasse in Köln einen zusätzlichen Obolus. Beim Bundesversicherungsamt haben aber schon weitere vier Kassen einen Antrag auf die Erhebung von Zusatzbeiträgen gestellt. Dass mehrere Kassen nun gemeinsam an die Öffentlichkeit gehen wollen, ist nachvollziehbar. So steht nicht eine allein in schlechtem Licht da.

Wie ist der Zusatzbeitrag geregelt?

Kommt eine Kasse nicht mit ihrem Anteil aus dem Gesundheitsfonds aus, kann sie Zusatzbeiträge erheben. Und zwar maximal ein Prozent vom beitragspflichtigen Einkommen, derzeit also höchstens 37,50 Euro pro Monat. Bis zu einem Betrag von acht Euro spielt die Lohn- oder Gehaltshöhe keine Rolle. Geringverdiener und Rentner mit niedrigen Bezügen werden bei acht Euro so auch über die Ein-Prozent-Grenze hinaus belastet.

Hat der Versicherte ein Kündigungsrecht?

Ja. Grundsätzlich ist der Versicherte 18 Monate lang an seine Kasse gebunden. Jedoch greift ein sofortiges Sonderkündigungsrecht, wenn die Kasse einen Zusatzbeitrag erhebt oder den Zusatzbeitrag weiter erhöht. Darüber muss die Kasse den Versicherten mindestens einen Monat vor Fälligkeit informieren. Dann kann der Versicherte bis zur erstmaligen Fälligkeit des Zusatzbeitrags kündigen. Mit dem Kündigungsschreiben der alten Kasse erfolgt schließlich der Wechsel in die neue Kasse. Viele Gesundheitspolitiker raten, davon Gebrauch zu machen, um so den gewünschten Kassen-Wettbewerb zu beleben.

Was ändert sich bei Zusatzbeiträgen für die Kasse?

Während die allgemeinen Kassenbeiträge in aller Regel vom Arbeitgeber eingezogen werden (14 Prozent hälftig von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert plus 0,9 Prozent, die der Versicherte allein trägt), muss eine Kasse zur Erhebung des Zusatzbeitrages für jeden Versicherten ein Konto anlegen. Ein Teil des Zusatzbeitrages versickert daher schon im bürokratischen Mehraufwand. Nur bei freiwillig Versicherten, die ihre Beiträge jetzt schon selbst an die Kasse weiterleiten, entfällt diese zusätzliche Arbeit für die Kasse. Verlangt eine Kasse mehr als acht Euro extra, muss sie den Versicherten auf die "Ein-Prozent-Belastungsgrenze" hinweisen. Die Beweispflicht hat aber der Versicherte: Er kann nur von der Überforderungsklausel profitieren, wenn er seine Gehaltshöhe gegenüber der Kasse selbst offenlegt.

Was passiert bei Zahlungsverweigerung?

Da in Deutschland eine Versicherungspflicht besteht, kann die Kasse säumigen Versicherten nicht kündigen. Möglich sind aber Leistungseinschränkungen, so dass nur noch eine Notfallversorgung bezahlt wird. Auch kann die Kasse den ausstehenden Beitrag stunden und im Extremfall auch pfänden lassen.

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