Lautlos auf der Tanzfläche: Kopfhörerpartys im Trend
Bochum (dpa) · Stell dir vor, es ist Disco - und es ist komplett leise. Geht nicht? Geht doch. Überall in Deutschland steigen seit etwa zwei Jahren Kopfhörerpartys. Das kann durchaus seinen Reiz haben - besonders für die Nachbarn.
Pssst, mal ganz leise sein. Denn bei dieser Party kommt es nicht auf Lärm, stampfende Bässe und pumpende Beats an. Im Szene-Club „Ullrich“ im Bochumer Partyviertel Bermudadreieck tanzen die Besucher im Stillen - mit Funkkopfhörern auf den Ohren. Und wer Ruhe oder ein nettes Gespräch bevorzugt, der setzt den Kopfhörer einfach kurz ab.
„Sound in Silence“ steht auf dem Plakat, das am Eingang zur Disco klebt. Zu Deutsch: lautlose Geräusche. Die Gäste nehmen sich am Eingang einen Drahtloskopfhörer, hinterlegen ihren Führerschein als Pfand, bezahlen fünf Euro Miete für die Ohrmuscheln und wählen zwischen zwei Kanälen aus, was sie hören möchten. Zwei DJs legen ihre Platten auf. Auf dem einen Kanal gibt es Rock- und Pophits, über den anderen Kanal knallt typische Clubmusik.
Auf der Tanzfläche ist jeder Tänzer akustisch voneinander abgeschottet und dennoch befinden sich alle Feiernden in einem gemeinsamen Raum. „Auch für passive Besucher ist das doch witzig“, findet Gerd Speer. Seine Firma mit Sitz in Steinburg in Norddeutschland verleiht die Kopfhörer. 5000 Stück sind auf Lager. Damit eignet sich das Konzept auch für Festivals, Open-Air-Kinos und große Stadtfeste. „Und die Veranstalter sind frei von der Nachtruhe, denn es ist ja alles leise“, wirbt Speer für sein Konzept.
Auf der Tanzfläche in Bochum merken die Tanzenden oft im Refrain, ob sie im gleichen Rhythmus sind. „Das ist echt witzig, ein großer Spaß“, meint Sabine aus Herne, die mit ihren Freunden im Bermudadreieck erstmals eine Kopfhörerparty feiert.
Oben an der Luft, also da, wo es keinen Musikanschluss gibt, stehen noch viele ahnungslos herum und schauen dem Treiben im „Ullrich“ verwirrt zu. Es ist still, und dennoch geht es auf der Tanzfläche wild zu. Ab und zu übersteigt das Mitsingen den Gesprächspegel. Zwischendurch nehmen auch ein paar Tänzer ihre Muscheln vom Ohr und horchen. Was sie hören, klingt zumeist brüchig und schief. Also, Kopfhörer wieder auf - und weitertanzen.
Einige Clubgäste begeben sich auf einen Solotrip und versinken im Rausch der Musik. Andere Fetengäste sondern zwischendurch seltsame Entzückungsschreie ab. Auf der Tanzfläche feiert aber keine Masse, sondern es sind vielmehr Einzelgrüppchen und Solisten zu sehen.
Eventmanager Gerd Speer ist Nutznießer des Kopfhörerparty-Trends: In England und Australien haben diese Ereignisse mehr Zulauf als in Deutschland. An spanischen Stränden und in Indien zappeln die Touristen seit Jahren aus Lärmschutzgründen mit Kopfhörern auf den Ohren. „Interessant ist, dass die Menschen gerade auf Ibiza meistens den Partykanal auswählen, obwohl sie doch extra auf die Insel gekommen sind, um die neuen Dance-Tracks zu hören“, sagt Speer. Bei einer Veranstaltung im Wiener Zoo habe der DJ mal den Ententanz aufgelegt. „Das sah lustig aus“, erinnert sich der Eventmanager.
Größter Vorteil der „leisen Disco“: Gespräche sind möglich. „Hier kann man sprechen, man muss nicht brüllen“, sagt Speer. Kopfhörer ab oder ausknipsen, dann kann die Unterhaltung starten. Den Kopfhörer auf den Schultern, heißt: „Ich möchte dir etwas sagen.“ Beide Hände am aufgesetzten Kopfhörer bedeutet: „Lass mich in Ruhe.“ Und ein abgenommener Kopfhörer in der Hand heißt: „Komm rüber zur Theke, wir gehen 'was trinken.“