Marktwächter gegen schwarze Schafe

Windige Finanzprodukte bei den Banken, betrügerische Geschäftsmodelle im Internet - viele Verbraucher können darüber ein Klagelied singen. Mit einem Frühwarnsystem wollen das Bundesjustizministerium und die Verbraucherzentralen nun gegen solche Missstände vorgehen.

Der Markt ist gigantisch: Rund 90 Millionen Lebensversicherungen haben die Bundesbürger abgeschlossen. Ihre Immobilienkredite belaufen sich auf 830 Milliarden Euro. Und ein privates Geldvermögen von insgesamt fünf Billionen Euro will auch gut und gewinnbringend angelegt sein.
Nur die wenigsten Verbraucher blicken jedoch bei der Fülle der Angebote durch oder sind gar gestandene Finanzfachleute. Das hat sich zuletzt bei der Prokon-Pleite gezeigt. 75 000 Anleger vertrauten auf die verlockenden Rendite-Aussichten des Windkraft-Anbieters - und setzten am Ende rund 1,5 Milliarden Euro in den Sand.
Schnellere Identifizierung


Im Kampf gegen betrügerische Geschäftsmodelle und dubiose Vertriebsmethoden setzt das Bundjustizministerium nun auf sogenannte Marktwächter, die bei den Verbraucherzentralen aktiv werden sollen. "Wir werden damit in Zukunft schwarze Schafe auf den Märkten schneller identifizieren können", ließ Ressortchef Heiko Maas (SPD) gestern dazu erklären. Bislang gibt es keine systematische Erfassung und Auswertung von Beratungsgesprächen in den bundesweit rund 200 Anlaufstellen der Verbraucherzentralen. So können Konsumenten etwa in Berlin, München oder Stuttgart auf die gleiche Offerte eines Marktanbieters reingefallen sein, ohne dass die entsprechenden Informationen darüber zusammenlaufen und die zuständigen Behörden zügig reagieren würden.
Das soll sich mit den "Marktwächtern" ändern. Häufen sich beispielsweise die Klagen über einen bestimmten Versicherungsanbieter, melden die Verbraucherberater die Sache an die zuständige Verbraucherzentrale in Hamburg, die ihrerseits die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin unterrichtet und mit entsprechenden Warnungen an die Öffentlichkeit geht.
Andere Verbraucherzentralen wie die in Baden-Württemberg, Hessen und Bremen sollen sich jeweils schwerpunktmäßig um Altersvorsorgeprodukte, den grauen Kapitalmarkt und die Immobilien-Finanzierung kümmern. Für Angebote in der digitalen Welt sind als "Marktwächter" die Verbraucherzentralen Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein zuständig. Erste Beobachtungsergebnisse sollen noch im laufenden Jahr vorliegen
Dass diesen Anlaufstellen die Arbeit nicht ausgehen dürfte, zeigt eine Modellauswertung von 600 Beratungen in sechs Verbraucherzentralen, die der Vorbereitung des Marktwächter-Projekts diente. Demnach war jedes zweite Anlageprodukt nicht bedarfsgerecht, also zu teuer, kaum rentabel oder zu riskant. Immerhin acht von zehn Haushalten besaßen jedoch mindestens eine solche Finanzanlage. Nun ist eine überteuerte Finanzanlage sicher nicht gleich strafbar, aber durch die systematische Marktbeobachtung entstünde ein Gesamtbild, das Verbrauchern die Orientierung im Angebots-Dschungel erleichtert. Die Erkenntnisse werden auch in einem noch aufzubauenden Internet-Portal abrufbar sein. Voll funktionstüchtig sollen die "Marktwächter" im Jahr 2018 sein. Das Bundesjustizministerium unterstützt das Vorhaben mit insgesamt 5,6 Millionen Euro.

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