Regionales Saatgut gewinnen

Wittlich · Bei Wittlich wählen Artenschützer die gesündesten und schönsten Nutzpflanzen für die Samenvermehrung aus.

 Im Vielfalts-Sortengarten bespricht Annette Fehrholz (rechts) mit ihren Helfern, dass die Tomate Lämpchen reif für die Samenernte ist. TV-Foto: Kathrin Hofmeister

Im Vielfalts-Sortengarten bespricht Annette Fehrholz (rechts) mit ihren Helfern, dass die Tomate Lämpchen reif für die Samenernte ist. TV-Foto: Kathrin Hofmeister

Foto: Kathrin Hofmeister (kf) ("TV-Upload Hofmeister"

Wittlich Zwischen Stangenbohnen, Butterkohl und Ringelblumen haben sich an diesem Vormittag fünf freiwillige Helfer im Vielfalts-Sortengarten auf dem Demeterhof Breit getroffen. Wie jeden Mittwoch halten sie Kulturpflanzen von Unkraut frei und pflücken, was der Sommer erntereif gemacht hat. Doch nicht alles landet im Kochtopf. Von einigen Pflanzen wird Samen zur Weiterkultur gewonnen.
Die rund 250 Quadratmeter große Kulturfläche ist ein gemeinsames Projekt von Hof Breit und dem Obst- und Gartenbauverein Bengel. Dessen Vorsitzende und Initiatorin Annette Fehrholz erklärt, worum es geht: "Wir möchten zum Erhalt von alten und regionalen Sorten beitragen." Über Jahrhunderte hätten Gärtner und Landwirte Saatgut aus ihrer Region nach bestimmten Kriterien ausgelesen. Selektiert wurden Sorten, die an die örtlichen Bedingungen angepasst waren. Man vermehrte, was sich gut für die Gerichte der Region eignete, oder irgendeine andere Eigenschaft hatte, die man kultivieren wollte.
Ein bekannter Vertreter dieser sogenannten Landsorten ist die Monstranzbohne. Ihre Körner besitzen eine braunrötliche Zeichnung, die an eine Monstranz in der Kirche erinnert. In katholischen Gegenden verwendet man die Samen bis heute, um daraus Rosenkränze aufzufädeln. "Wähle ich nur die schön gezeichneten Samen und säe diese wieder aus", erklärt Annette Fehrholz, "betreibe ich eine Auswahl in Richtung auffällige Zeichnung."
Damit ist die engagierte Saatgut-Aktivistin bereits mitten in der Praxis. Ein häufiger Anfängerfehler sei die Negativ-Auslese. "Ernte ich im Hausgarten die schönsten Bohnen zum Essen und ziehe mir als Saatgut erst am Ende der Saison die dürren, übrig gebliebenen Bohnen von ganz oben herunter, an die ich schlecht rangekommen bin, züchte ich die Sorte in Richtung wächst hoch und wird spät reif."
Wichtig sei es, zu Beginn festzulegen, welche Eigenschaften man verstärken will und darauf zu achten, nur entsprechende Pflanzen zu vermehren. Bei Tomaten und Paprika geht es den Saatgutgewinnern neben dem guten Geschmack darum, Sorten für den Freilandanbau in unserer Region hervorzubringen.
Zudem spielt die politische Dimension eine entscheidende Rolle für die Vermehrer (siehe Extra). Mit eigenen Samen aus regionalem Anbau werde man wieder unabhängig von großen Saatgut-Konzernen.
Im Zuge der Klimaveränderungen könnten samenfeste Landsorten wieder an Bedeutung gewinnen. "Was in schwierigen Jahren gut wächst, ist eine Versicherung für die Zukunft", sagt Annette Fehrholz. Denn in den Samen werden alle Informationen von Pflanzengeneration zu Pflanzengeneration weitergegeben. Die Informationen sind jederzeit abrufbar, und die Nachkommen können bei Bedarf reagieren. So, wie die Stangenbohne Hunsrücker Gescheckte, der Butterkohl aus Bengel und die hiesigen Ringelblumen, die sich alle längst auf die Moselregion eingestellt haben.Extra: SAMENFESTE SORTEN


Samenfeste Sorten kann man immer wieder aussäen und sicher sein, dass sie die charakteristischen Sortenmerkmale der Mutterpflanzen behalten. Ihre von Saison zu Saison gesammelte Erbinformation können sie jederzeit abrufen - wie Resistenzen gegen Krankheiten, Angepasstheit an das regionale Klima oder das Zurechtkommen mit lokalen Bodenverhältnissen. Bei Hybrid-Sorten, wie sie im Handel angeboten werden, ist das anders. Sie eignen sich nicht zur Weitervermehrung. Ihre Nachkommen spalten ihre Eigenschaften neu auf. Vorteilhafte Eigenschaften verschwinden oft in der Tochtergeneration.

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