Senioren essen zu viel Fleisch und Süßes

Mainz/Neuerburg · Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz nimmt die Speisepläne von Seniorenheimen unter die Lupe. Das Ergebnis: Das Essen ist oft zu fett, zu süß und zu fleischlastig. Gemüse und Obst hingegen sind Mangelware. Im Rahmen eines landesweiten Programms helfen Experten den Heimen, ihr Angebot zu verbessern.

Mainz/Neuerburg. Pressekonferenz des Ernährungsministeriums. 30 Menschen (darunter eine Pressevertreterin), drei Wellensittiche und ein Hund haben sich im sonnendurchfluteten Wintergarten des Seniorenheims Berghof in Neuerburg versammelt, um dabei zu sein, wenn der hohe Besuch aus Mainz über gutes Essen für Senioren spricht. Und über all das, was besser nicht auf dem Speiseplan stehen sollte. Ernährungsministerin Ulrike Höfken und die Lebensmittelexpertin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, Waltraud Fesser, haben im Rahmen der Demografiewoche einen Stopp in der Eifel eingelegt. Begleitet vom Gezwitscher der Sittiche und dem sanften Schnarchen einer Seniorin haben sie dort Zwischenbilanz der landesweiten Speise-planchecks in Altersheimen gezogen. "Ernährungsbedingte Krankheiten verursachen fast zwei Drittel aller Kosten im Gesundheitswesen", sagt Höfken.
Weil gesunde Ernährung so wichtig ist, hat sich die Verbraucherzentrale landesweit die Speisepläne von Heimen vorgeknöpft. 14 Häuser haben sich bisher an dem freiwilligen Beratungsprogramm beteiligt. Aus einer langen Reihe von Ohrensesseln verfolgen einige Bewohner des Hauses interessiert, was herausgekommen ist. Das Ergebnis: Es gibt vieles zu verbessern.
Obst aktiv anbieten


Fesser zufolge ist das Essen in vielen Heimen zu fett: Es gebe oft Rahmsoßen und weder beim Käse noch bei Joghurt oder Milch werde auf fettreduzierte Produkte zurückgegriffen. "Im Alter brauchen wir weniger Fett und Energie, aber viele Nährstoffe", sagt die Ernährungsexpertin. Allerdings finden sich Obst und Gemüse viel zu selten auf den Speiseplänen. Die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlenen 21 Portionen Gemüse pro Woche werden nirgends erreicht. Der Schnitt liegt bei acht bis 14 Portionen. Obst stehe zwar häufig bereit. Das jedoch reicht Fesser nicht. "Man muss es aktiv anbieten", sagt sie. Im Idealfall schon geschält, geschnitten und hübsch präsentiert.
Ein großes Problem stellt aus Sicht der Verbraucherzentrale der hohe Fleischkonsum in Seniorenheimen dar. Sechs von sieben Mahlzeiten seien mit Fleisch — empfohlen werden drei. Fisch gibt es nur selten. Dabei enthält er viele wertvolle Nährstoffe. Und die wenigen vegetarischen Gerichte seien meist einfallslose Süß- oder Eierspeisen. Ohnehin sind Senioren offenbar Süßmäuler. Es gebe keine einzige Einrichtung, die nicht jeden Nachmittag ein Stück Kuchen anbiete, sagt Fesser. "Ist das schlecht?", fragt Höfken lachend. Nicht unbedingt, lautet die Antwort. Denn Obstkuchen enthält schließlich auch eine Portion Obst. Weitere Kritikpunkte: Die Essenszeit ist mit nicht selten nur 15 Minuten zu kurz, und die Zeiten zwischen dem Abendbrot und dem Frühstück sind zu lang.
Die Verbraucherzentrale berät die Heime und schult die Mitarbeiter. Die Beteiligung ist freiwillig und kostenlos. Auch der Berghof hat seinen Speiseplan angepasst: Es gibt nun mehr frisches Obst, fettreduzierte Milchprodukte, eine Spätmahlzeit und Tee statt gesüßten Safts. Allerdings stehen für kommende Woche statt drei immer noch fünf fleischhaltige Gerichte auf der Karte. "Das Fleisch zu streichen, kommt bei den Bewohnern nicht gut an", sagt Hauswirtschaftsleiterin Elisabeth Irmisch und: "Sie bestehen auch auf Süßspeisen." Der Beweis folgt. Kaum hat der Besuch aus Mainz den Tisch geräumt, erobern die Senioren ihn zurück. Die Zeit für das tägliche Stück Kuchen ist gekommen. Zu Fessers Zufriedenheit ist es mit Obst belegt.Extra

Im Bundesland Rheinland-Pfalz lebten 2010 über 800 000 Menschen über 65 Jahre, das ist ein Fünftel der Gesamtbevölkerung. Und ihre Zahl wird weiter zunehmen: Im Jahr 2060 wird jeder dritte Einwohner von Rheinland-Pfalz 65 Jahre und älter sein. Studien zeigen, dass eine Ernährung mit mehr Obst, Gemüse und Vollkornprodukten und weniger fettreichen, tierischen Lebensmitteln, bis zu 90 Prozent aller Diabeteserkrankungen, bis zu 80 Prozent aller Herzinfarkte und rund 50 Prozent aller Schlaganfälle vermeiden könne. Das bedeute nicht nur mehr Lebensqualität, ernährungsbedingte Krankheiten seien auch für rund zwei Drittel aller Kosten im Gesundheitssystem verantwortlich, sagt Ernährungsministerin Ulrike Höfken. red

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