Gesundheit Trümmersprüche in der Onkologie
Trümmersprüche nenne ich Aussagen, die das Gegenüber, in diesem Falle den kranken Menschen, verletzen, beschämen, ängstigen oder sonst wie schmerzlich treffen, ohne dass diese Aussage einen echten Sinn oder Gehalt hat oder sonst in irgendeiner Weise wertvoll ist.
Meistens sind sie sogar nicht einmal richtig. Sie zertrümmern nur. Trümmersprüche erinnern an Steine, deren Wirkung nicht mehr aufzuhalten oder zu ändern ist, wenn sie einmal die Hand verlassen haben.
Beispiel: „Du siehst aber gar nicht so krank aus!“ Wie muss man denn aussehen, wenn man krank ist? Oder: „Das ist nun das Ende der Fahnenstange.“ Muss nun der Sarg bestellt werden? Ein ganz typischer und leider häufiger Trümmerspruch von ärztlicher Seite ist auch: „Wir können nichts mehr für Sie tun“ oder „Sie sind austherapiert“. Sprich, geh nach Hause und stirb? Oder zuletzt bei der Ultraschalluntersuchung einer Palliativpatientin: „Mal sehen, was wir heute finden.“
Das sind schlimme Worte und Sätze, aber sie fallen, wie schon gesagt, jeden Tag.
Nehmen wir „Wir können nichts mehr für Sie tun“: Der Spruch ist schlicht falsch. Beschämend für den, der ihn ausspricht. Er beinhaltet nämlich Dinge wie „Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll, ich weiß nicht genug“ oder gar „das ist mir jetzt zu viel, an dieser Stelle weiter nach Ihnen zu sehen“. Oder „Ich halte es nicht für meine Aufgabe, die Patienten bis ins Grab zu begleiten“, wie ein leitender Arzt einer Klinik einmal zu mir sagte.
Ein Arzt, der so etwas zu Ihnen sagt, ist wahrscheinlich nicht der richtige Ansprechpartner für Sie. Es gibt immer etwas für seine Patienten zu tun, sie werden bis zu ihrem letzten Tag versorgt und behandelt. Was sich ändert, sind die Art und das Ziel der Behandlung. Sie muss immer der aktuellen Krankheitssituation angepasst sein. Es gibt immer etwas zu tun, ich kann es gar nicht oft genug wiederholen. Therapieziele ändern sich, aber man gibt niemanden auf. Das ist keine Option. Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist.
Wie geht man mit Trümmersprüchen um?
Erst einmal gilt es zu erkennen, dass es welche sind. Dass sie falsch und völlig sinnfrei sind. Sie treffen nicht zu. Nehmen Sie das „Geschenk“ nicht an.
Wer hat was aus welchem Grund zu Ihnen gesagt? Wenn es Hilflosigkeit war und wenn es möglich ist, das anzusprechen, kann man das tun. Möglicherweise entsteht eine neue Form der Kommunikation.
Ansonsten sollten Sie darüber nachdenken, Abstand zu halten und sich neue Kontakte zu suchen.
Ärztliche Trümmersprüche: Meines Erachtens dürfen Sie Ihr Gegenüber darauf aufmerksam machen, dass das für Sie eben ein Trümmerspruch war. Und was das bei Ihnen ausgelöst hat. Dabei gilt auch: Es ist entscheidend, was verstanden worden, nicht was gesagt worden ist. Vielleicht können Sie damit sogar etwas bewegen.
„Wir werden schon irgendwie eine Möglichkeit finden“ – na also, geht doch auch.
Dr. med. Hans-Peter Laubenstein, Facharzt für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin.