Der Garten im Oktober Savanne im Vorgarten

Wittlich · TV-Garten im Oktober: Vorgärten werden gerne als Visitenkarte bezeichnet. Wie sie sich angesichts des Klimawandels angemessen ausweisen können, zeigt ein Beispiel des Trierer Landschaftsarchitekten Jörg Kaspari in Wittlich.

Unter der Robinie Frisia hat der Trierer Landschaftsarchitekt Jörg Kaspari im Halbrund seines Savannen-Gartens Platz genommen. Drei Reitgräser Karl Foerster ragen aus der artenreichen Pflanzung und leiten zum Seidenbaum über, der einmal eine schöne lichte Schirmkrone über dem sonnigen Vorgarten spannen soll.

Unter der Robinie Frisia hat der Trierer Landschaftsarchitekt Jörg Kaspari im Halbrund seines Savannen-Gartens Platz genommen. Drei Reitgräser Karl Foerster ragen aus der artenreichen Pflanzung und leiten zum Seidenbaum über, der einmal eine schöne lichte Schirmkrone über dem sonnigen Vorgarten spannen soll.

Foto: Kathrin Hofmeister

Der vergangene Sommer hat den Klimawandel spürbarer denn je vor Augen geführt. Angesichts extremer Hitze und Trockenheit fragen sich immer mehr Gartenbesitzer, wie sie den Garten an die neuen Herausforderungen anpassen können. Dieselbe Frage hat sich der Trierer Landschaftsarchitekt Jörg Kaspari gestellt und setzt auf Savannenstrategie. Im Vorgarten der ehemaligen Gärtnerei seiner Großeltern hat der gebürtige Wittlicher einen „Tiny Schaugarten“ angelegt und das Augenmerk damit bewusst auf die „kleinen Alltagsorte“ gelenkt.

Vorgärten hätten den Vorteil, dass es meist eine überschaubare Fläche ist. „Wir stehen vor so großen Herausforderungen, dass man leicht verleitet ist zu denken: Oje, was soll ein Einzelner da schon ausrichten.“ Doch gerade deshalb findet es der Planer, dessen zukunftsweisende Pflanzungen bereits im Trierer Bobinet-Quartier den Umweltgedanken in den Mittelpunkt gestellt haben, umso wichtiger „ganz normale Orte unter den neuen klimatischen Bedingungen zeitgemäß umzuwandeln. Wenn viele solcher Orte verändert werden, bewirkt das eine Menge.“ Das erfordert Mut, denn das Erscheinungsbild bricht mit alten Sehgewohnheiten. Eine Savanne entspricht nicht gerade dem Traum vom Garten Eden. Aber sie ist der Ort, wo große Hitze herrscht, bisweilen starke Regenfälle runterkommen und Leben unter Extrembedingungen weiter möglich bleibt.

Der erste Ansatz ist Schatten zu schaffen. Das gelingt durch Vegetationselemente wie Solitärbäume, Schirmgehölze und hohe Gräser. Im Schaugarten übernehmen zwei Gold-Robinien der Sorte Frisia den Solitärpart. Ihr feingliedriges Laub ist schön licht und lässt Pflanzenwuchs unter ihrer Krone zu. Monumentale Bäume wären fehl am Platz. Eine Rosskastanie beispielsweise würde zu 100 Prozent Schatten werfen und kaum andere Gewächse dulden. Das mag als Straßenbaum oder im Biergarten Vorteile bringen. Im Vorgarten sprengt es den Rahmen.

Andere Gehölze wie der Farnwedel-Essigbaum sollen hier zu Schirmgehölzen erzogen werden. Wieder orientiert sich Jörg Kaspari am Leitbild der Savanne. „Gehölze entwickeln dort oft ein schirmförmiges Aussehen, weil sie von Tieren abgeknabbert werden, bis zu der Höhe, wo sie nicht mehr drankommen.“ Das malerisch erscheinende Bild entwickelt der Seidenbaum von Natur aus. Wegen seiner schirmförmigen Krone auch als Schirmakazie bekannt, wird der Klimagewinner zudem Schlafbaum genannt, weil er die Mimosen ähnlichen Fiederblätter über Nacht zusammenklappt. „Die Albizie“ – Jörg Kaspari verwendet den botanischen Namen – „ist mir vor einigen Jahren in Bekond aufgefallen. Wenn sie dort durch den Winter kommt, müsste es auch in Wittlich funktionieren.“ Während jüngere Exemplare in den ersten Jahren in weniger milden Regionen einen Winterschutz brauchen, halten eingewachsene Exemplare einige Minustemperaturen aus. Mit den Jahren kann die hitzeverträgliche und trockenheitstolerante exotische Schönheit mit rosigen Pinselblüten zu einem Kleinbaum heranwachsen, dessen lichte Fächerkrone für spannende Lichtspiele sorgt.

Wandernden Schatten erzeugen auch die hohen Gräser. Gerade weht eine leichte Brise durch den Vorgarten und lässt die eigentlich straff aufrecht wachsenden Reitgräser Karl Foerster eine elegante Wiegebewegung ausführen. Das trägt entscheidend zu einer Wohlfühl-Atmosphäre bei. Staudensonnenblumen und Fallschirmrudbeckien setzen fröhliche Blütenakzente. Die hohen Spätsommerblüher leuchten schon von weitem „Das war die Idee“, bestätigt Jörg Kaspari. „Indem sie über die formale Hainbuchenhecke kucken, vermitteln sie das Gefühl einem die Hand schütteln zu wollen.“ Die einladende Geste weckt Neugier. Die grüne Einfriedung gehört ebenso wie eine alte Muschelzy­presse und eine Korkenzieherhasel vor dem Haus zum Altbestand. Eine Gestalter-Weisheit lautet: „Versuche etwas Altes, das sich im Garten bewährt hat, bestehen zu lassen und mit dem Neuen zu verbinden.“

Beim vorgefundenen Boden dagegen musste der Gartenexperte von Grund auf eingreifen. „Wir haben hier Verwitterungen aus rotem Sandstein und Rotliegend. Ist der Boden abgetrocknet, wird er steinhart.“ Zur Vorbereitung gehörte daher eine Bodenverbesserung mit feinem Kompost, den der Landschaftsarchitekt wie viele Privatpersonen bei der Trierer Deponie Mertesdorf des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Region Trier (ART) kauft. Ein humushaltiger Boden speichert CO2 im Gegensatz zu unbelebten Flächen und hält Nährstoffe und Wasser besser. Dem Boden Regenwasser vor Ort zugutekommen zu lassen, ist eines der großen Themen unserer Zeit. Im Städtebau ist es als Schwammstadt-Prinzip zum Schlagwort geworden. Während Niederschlagswasser auf versiegelten Flächen einfach abfließt, kann es auf Grünflächen versickern. Durch Bäume und jede andere Art von Begrünung verdunstet Wasser und kühlt die Überhitzung runter.

Was im Großen mit viel Aufwand umgebaut wird, setzt Jörg Kaspari im Kleinen unter anderem mit einem angezapften Regenrohr um. Das Wasser speist eine Wasserschale. „Zur Savanne gehört natürlich eine Wasserstelle“, findet Jörg Kaspari. Die Schale hat er gezielt „nicht ganz im Blei gesetzt“. Durch die leichte Neigung läuft das Wasser bei viel Regen über und soll sich über die Wegesysteme im Garten verbreiten. Ob das funktioniert, will der Landschaftsarchitekt hier testen. Die Beete hat er deshalb etwas erhöht modelliert. Trittsteinplatten schlängeln sich durch das Terrain. Im sonnigen Teil kriecht Teppich-Thymian zwischen den Wegplatten. „Der darf später ruhig über die Trittsteine wuchern. Wenn man ihn betritt, steigt eine Aromawolke auf. Und er hat einen tollen Blühaspekt. Die Hummeln lieben ihn.“ Dort, wo der Weg nach links abzweigt und im Schlagschatten des Hauses Rispen- und Samthortensien in Kombination mit Farnen und andere Schattenstauden wachsen, begrünt Sternmoos die Plattenfugen. Die Wege führen zu einem Sitzplatz im Schatten und dem zentralen Rondell, dessen Muschelkalk-Blöcke ein geselliges Rund formen. „Das ist Meskalith, wie der Kalkstein aus Mesenich genannt wird“. Die Arbeit mit regionalen Baustoffen gehört ebenso zum nachhaltigen Konzept wie das Spiel mit vielfältigen Blatt- und Blütenfarben. „Gerade mit Blattfarben kannst du einen besonderen Eindruck einbringen.“ Vor dem Hintergrund heben sich die Pflanzen kontrastreich ab und es entsteht eine Kulissenlandschaft. „Da“, sagt Jörg Kaspari und macht auf den Perückenstrauch Royal Purple aufmerksam dessen schwarz-rotes Blattwerk ganz oben von den tiefer stehenden Sonnenstrahlen illuminiert wird. „Die Sonne ist so weit gewandert, dass sich ein frisches Rot in den Blattspitzen abbildet.“ So wird die stilisierte Savanne zum Aha-Erlebnis.

Der „Tiny Schaugarten“ von Jörg Kaspari nimmt am Tag des offenen Gartentors über die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL) teil. Er findet jährlich im Juni statt.
www.dggl.org/landesverbaende/saar-mosel.html

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