Urlaub unterm Regenbogen: Reisebranche wirbt um Homosexuelle

Berlin (dpa/tmn) · Homosexuelle gelten als besonders reisefreudig. Die Branche entdeckt sie verstärkt als Zielgruppe. Doch nicht überall auf der Welt sind sie auch willkommen.

Jamaika steht für Sonne, Strand, Reggae und ungetrübte Urlaubsfreuden. Als Homosexueller sollte man die Karibikinsel aber besser meiden: Vor einigen Monaten wurde dort ein schwules Pärchen mit Steinen attackiert, ein anderes ins Gefängnis gesteckt - nur weil es am Strand Händchen hielt. Doch von solchen Vorkommnissen lassen sich viele Schwule und Lesben kaum abschrecken, sie reisen ähnlich wie ihre heterosexuellen Mitbürger wie die Weltmeister.

„Schwule sind sehr reisefreudig“, bestätigt Dirk Baumgartl, Chefredakteur von „Spartacus Traveller“, dem einzigen Schwulen-Reisemagazin in Deutschland. Homosexuelle können sich das in der Regel leisten. Sie sind oft sogenannte Dinks: Double income, no kids (doppeltes Einkommen, keine Kinder) - sie haben überdurchschnittlich viel Geld und Zeit.

Deshalb entdeckt auch die Reiseindustrie Schwule und Lesben zunehmend als Zielgruppe. Immer mehr Reiseveranstalter, Hotels und Fluglinien machen unter Schwulen und Lesben gezielt Werbung. „Für die Reiseunternehmen sind sie mittlerweile eine wichtige Zielgruppe“, sagt Sibylle Zeuch vom Deutschen Reiseverband (DRV).

Tui wagte 2009 mit einem Magalog, einer Mischung aus Katalog und Magazin, einen Versuch, seit Anfang des Jahres hat Dertour als erster deutscher Veranstalter einen eigenen Katalog im Programm. In diesem sind nur Hotels verzeichnet, die auf Schwule und Lesben ausgelegt sind oder diese explizit willkommen heißen. „In normalen Katalogen verlieren sich diese Angebote“, erklärt der Produktverantwortliche Dietmar Malcherek die Gründe für das neue Konzept. Die erste Auflage des Katalogs ist vergriffen, die zweite im Druck. Im kommenden Jahr will Malcherek das Angebot um 60 bis 80 neue Hotels vergrößern.

Bislang ist kein anderer Veranstalter nachgezogen. Genauso wie man nicht alle Heterosexuellen in Sachen Urlaub über einen Kamm scheren kann, funktioniert das auch bei Homosexuellen nicht. „Der eine mag Natururlaub, der andere Städte, der andere Strand“, sagt Baumgartl. „Innerhalb der Schwulen gibt es sehr viele Gruppen, sie lassen sich nicht wie Golfer mit einem einzigen Katalog ansprechen“, sagt Jochen Volland, Besitzer des Schwulenreisebüros Teddy Travel in Köln.

Hinzu kommt, dass sich wohl nicht jeder Schwule im Reisebüro outen möchte, indem er einen Gay-Katalog verlangt. Die meisten Schwulen und Lesben buchen ihre Reisen weiterhin individuell und vor allem anonym. „In der Szene ist bekannt, welche Hotels geeignet sind, welche Fluglinien Schwule willkommen heißen“, erklärt Baumgartl, der neben dem „Spartacus Traveller“ jedes Jahr einen „Gay Guide“ herausgibt, der auf über 1100 Seiten Schwulenziele in der ganzen Welt auflistet. Auch bei Tui hat man nach den Worten einer Sprecherin festgestellt, dass die Reiseentscheidung vor allem über die Länderkataloge fällt. Der Magalog wurde deshalb 2011 wieder eingestellt.

Doch wohin geht die Reise bei Schwulen und Lesben? Einige typische Ziele sind bekannt: Mykonos, Gran Canaria, Ibiza. Daran hat sich laut Baumgartl in den vergangenen Jahren wenig verändert. „Spanien liegt in der Beliebtheit ganz vorne. Das hat auch mit der Gesetzgebung zu tun, die Schwule und Lesben mit Heteros völlig gleichstellt“, so der Spartacus-Traveller-Chefredakteur. Bei Städtetrips sind Berlin und Wien am beliebtesten.

Volland hat als neue Trenddestination bei den Fernreisezielen Kapstadt ausgemacht, für Baumgartl ist es Tel Aviv. Doch was macht ein Reiseziel zu einem schwulen Reiseziel? „Viel hängt mit der Geschichte zusammen“, erklärt Baumgartl. „Es gab schon immer Städte oder Regionen, die das Thema liberaler gehandhabt haben und dann zu Rückzugsorten für Schwule und Lesben wurden.“

Neu im Angebot und voll im Trend liegen Kreuzfahrten - ausschließlich für Schwule und Lesben. Das hat sowohl Dertourmanager Malcherek beobachtet, der anfangs nur eine Kreuzfahrt im Katalog stehen hatte, nun aber vier weitere online anbietet, als auch Teddy-Chef Volland: „Gay-Kreuzfahrten boomen.“

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