Versicherte bestimmen ihr Parlament

Trier · 48 Millionen Wahlberechtigte sind in den nächsten Tagen zur Sozialwahl bei Krankenversicherungen und Rentenversicherung aufgerufen. Der TV erklärt, was dabei überhaupt zur Wahl steht.

Trier. Viele Haushalte der Region haben in den vergangenen Tagen Post bekommen. Die Briefe enthalten Wahlunterlagen. Gewählt wird aber kein klassisches Parlament, sondern die Selbstverwaltungen der Kranken- und Rentenversicherung. Allein bei der Krankenkasse Barmer GEK sind rund 58 100 Versicherte in der Region zu der sogenannten Sozialwahl aufgerufen. In Rheinland-Pfalz gibt es bei der Kasse rund 326 000 Wahlberechtigte. Bei der Techniker Krankenkasse in Rheinland-Pfalz dürfen 240 000 Mitglieder darüber abstimmen, wer künftig in ihrem Parlament, dem ehrenamtlichen Verwaltungsrat, ihre Interessen vertritt.
Gewählt werden allerdings keine Personen, sondern Listen. Wer dahintersteckt, erfahren die Wahlberechtigten in der Regel nicht.
Bei der Barmer GEK haben sich neun unterschiedliche Gruppierungen, darunter größtenteils Gewerkschaften, um die Sitze beworben.
Der Verwaltungsrat ist das höchste Entscheidungsgremium der Sozialkassen. Bei den meisten Kassen setzt sich dieses Gremium in gleichem Maße aus Versicherten und Arbeitgebern zusammen. Bei der Barmer GEK besteht es nur aus Versichertenvertretern. Damit, so der Landesgeschäftsführer der Kasse, Friedhelm Ochs, sei es ein reines Mitgliederparlament. "Es setzt sich aktiv für die Versicherten ein", erklärt Ochs. Die Verwaltungsräte der Kassen vertreten gegenüber den Kassenchefs und der Politik die Interessen der Mitglieder.
Als Beispiel nennt er Widerspruchsverfahren. Versicherte können sich, wenn die Kasse etwa eine Leistung verweigert, direkt an den von Mitgliedern des Verwaltungsrats besetzten Widerspruchsausschuss wenden. "Vielfach geht es um die Einstufung von Pflegefällen oder die Bewilligung von Hilfsmitteln oder Kuren", sagt Ochs. Oft würde der Ausschuss im Sinne der Versicherten entscheiden. Pro Sitzung kämen bis zu 200 Fälle auf den Tisch.
Auch am Entwurf für ein Krankenhaushygienegesetz sei der Barmer-GEK-Verwaltungsrat maßgeblich beteiligt gewesen, sagt Ochs. Durch einen Brief an die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, die niedersächsische Gesundheitsministerin Aygül Özkan, hätte das Gremium den Anstoß für eine bundeseinheitliche Regelung gegeben. Bislang fristet die Abstimmung aber eher ein Schattendasein. Was vielleicht auch an dem Wahlsystem liegen dürfte. Ein echter Wahlkampf findet nicht statt. Und bei vielen Kassen stimmen auch nicht die Mitglieder ab. Dort werden die Verwaltungsratsmitglieder in einer sogenannten Friedenswahl von den einzelnen bislang vertretenen Gruppen bestimmt. Bundesweit sind 48 Millionen Versicherte dazu aufgerufen, bis Ende Mai ihre Stimmen abzugeben. Die Wahlbeteiligung lag in den vergangenen Jahren meist um die 30 Prozent. wieAufgerufen zur alle sechs Jahre stattfindenden Sozialwahl sind alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ab 16 Jahren. Die Wahlunterlagen kommen mit der Post. Gewählt werden die Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund sowie die Verwaltungsräte der fünf großen gesetzlichen Krankenkassen (DAK, Barmer GEK, Techniker, KKH-Allianz und HHK). Zur Wahl stehen keine Einzelpersonen, sondern Listen verschiedener Interessengemeinschaften, die ihre anonymen, ehrenamtlichen Kandidaten dann in die Aufsichtsgremien schicken. Diese wählen Vorstände, kontrollieren Ausgaben und überprüfen bei Widerspruchsverfahren die Entscheidungen der Versicherungen. Die Stimmabgabe erfolgt per Post (portofrei). Die Unterlagen müssen bis zum 1. Juni bei der Rentenversicherung und der jeweiligen Krankenkasse eingegangen sein. Die Kosten für die Sozialwahlen liegen bei rund 40 Millionen Euro, das meiste davon verschlingen die Portokosten.

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