Wenn der Chef auf Blonde steht

MÜNCHEN. (gms) Schon gehört? Drei Standorte werden aufgegeben. Vielleicht muss der ganze Betrieb dicht machen. Und der Chef setzt sich in die Karibik ab, zusammen mit der kleinen Blonden aus der Finanzbuchhaltung: Neues aus der Gerüchteküche.

Wenn im Betrieb Veränderungen anstehen, verbreiten sich Vermutungen und Verschwörungstheorien oft in Windeseile. Gerüchte können erstaunliche Kräfte entfalten und eine Menge Schaden anrichten. Verhindern lässt sich das durch die richtige Informationspolitik von Firmenseite und durch gezieltes Eingreifen im zwischenmenschlichen Bereich. "Gerüchte gab es immer und wird es auch weiterhin geben", lautet die nüchterne Einschätzung des Anwalts Michael Scheele. Zu groß sei das Bedürfnis, Wissenslücken mit Mutmaßungen zu schließen, Orientierungslosigkeit oder Unsicherheit mit Spekulationen zu verringern und Aggressionen abzureagieren, so der Sachbuchautor, der jüngst ein Buch über Gerüchte verfasst hat. Gerüchte haben auch etwas Positives

In Zeiten von Verunsicherung haben Gerüchte die besten Vor-aussetzungen: Wenn viel in Bewegung ist und Mitarbeiter nicht genau wissen, wie es mit ihrem Betrieb weitergeht, dann würden eben auch ungesicherte Informationen weitergegeben, sagt Christine Öttl, Coaching-Expertin. "Gerüchte haben ja auch etwas Positives, etwas Verbindendes: Wer Gerüchte austauscht, kommt miteinander ins Gespräch. Es hat auch etwas Konspiratives, das einen zusammenrücken lässt." Nicht immer sind sie folgenlos: "Manchmal entstehen völlig grundlos die wildesten Geschichten", sagt Christine Öttl, die früher selbst als Führungskraft gearbeitet hat. "Das kann sich negativ auf die Arbeitsatmosphäre und auf die sozialen Beziehungen auswirken." Wenn in der Firma Veränderungen anstehen, sollten die Verantwortlichen deshalb damit nicht hinter dem Berg halten und erklären, was passiert. Viele Unternehmen spielten auf Zeit und versuchten zunächst, keinerlei Auskünfte zu geben, hat Claudia Cornelsen beobachtet. Das sei aber genau die falsche Strategie, warnt die PR-Beraterin aus Hamburg. Wenn noch Klärungsbedarf besteht, sei die beste Krisen-PR, einzuräumen, dass etwas falsch gelaufen sein könnte und Klärung zuzusagen. Mitarbeiter, die von beunruhigenden Gerüchten über die Zukunft des Betriebes erfahren, sind gut beraten, bei Vorgesetzten zu fragen, ob sie der Wahrheit entsprechen, empfiehlt Öttl. Häufig dringen Gerüchte gar nicht bis zu den Vorgesetzten durch. Noch schwieriger kann das bei Gerüchten sein, die einzelne Mitarbeiter betreffen. Zwischen Klatsch und übler Nachrede gibt es eine breite Grauzone: Wenn gerüchteweise verlautet, die neue Kollegin habe sich in die Führungsposition doch nur "hochgeschlafen", oder dem älteren Kollegen hinter vorgehaltener Hand ein massives Alkoholproblem nachgesagt wird, kann das für die Betroffenen üble Folgen haben. Sind Gerüchte erst in der Welt, ist ihnen oft nur schwer beizukommen. Wer selbst davon betroffen ist, sollte die "Gerüchtestreuer" auffordern, Farbe zu bekennen. Die Coaching-Expertin Cornbelsen empfiehlt, authentisch zu reagieren, sich hinzustellen und dazu aufzufordern, die Behauptungen offen zu wiederholen. Wer Zeuge von Gerüchten über andere wird, sollte in der Regel besser nicht zur betroffenen Person gehen und sie warnen. "Damit gießt man nur Öl ins Feuer", sagt Christine Öttl. Besser sei es, demonstrativ kritisch nachzuhaken: Skeptische Anmerkungen wie "Was, ehrlich? Das kann ich mir gar nicht vorstellen!" würden Gerüchteköchen oft schon die Suppe versalzen. Man kann aber auch deutlicher werden und fragen "Ist dir bewusst, was du damit anrichten kannst?" Auf eine Welt ohne Gerüchte zu hoffen, hält Michael Scheele für aussichtslos. Aber ihre Auswirkungen und Lebensdauer könnten doch verringert werden. Gerüchte verbreiten sich zwar rasend schnell - aber wenn immer mehr dafür spricht, dass sie falsch sind, verschwinden sie auch schnell in der Versenkung. Öttl: "Die Leute sind ja nicht doof. Die merken mit ein bisschen Nachdenken bald, wenn etwas völliger Quatsch ist." LITERATUR: Michael Scheele: Das jüngste Gerücht, mvg Verlag, 19,90 Euro.

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