Wenn Kinder für ihre Eltern zahlen

Werden Eltern pflegebedürftig, und die Rente reicht nicht aus, um für die Pflegekraft oder das Seniorenheim zu zahlen, kann es schnell den Kindern ans Portemonnaie gehen. Die Gerichte treffen sehr unterschiedliche Entscheidungen darüber, wann und wie viel Unterhalt zu zahlen ist.

Trier. Der TV hat bei Thomas Diehn, Pressereferent der Bundesnotarkammer, und Alice Vollmari, Mainzer Fachanwältin für Familienrecht und Vorstandsmitglied der Rechtsanwaltskammer Koblenz, nachgefragt und die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Elternunterhalt zusammengestellt.

In welchen Fällen müssen Kinder für ihre Eltern zahlen?

"Elternunterhalt ist zu zahlen, wenn die Eltern ihren Bedarf nicht aus eigener Erwerbstätigkeit, durch eigenen Vermögenseinsatz oder Sozialleistungen decken können", erklärt Thomas Diehn - also wenn sie Sozialhilfe erhalten. Dies gilt allerdings nur für unverschuldete Bedürftigkeit. Meist - aber nicht immer - ist ein erhöhter Pflegebedarf der Knackpunkt: Dann wird es teuer, auch für die Kinder.

Wer muss zahlen?

Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist von der "aufsteigenden und absteigenden Linie" die Rede, sagt Diehn. "Als Zahler kommen daher Kinder in Betracht; sind diese weggefallen, auch Enkel." Zunächst sind sich die Eltern untereinander zur Zahlung verpflichtet - dann alle Kinder, aber je nach ihren finanziellen Möglichkeiten. "Bei Bedürftigkeit zahlt immer zunächst der Sozialhilfeträger." Das Sozialamt prüft dann, ob es Geld von den Kindern einfordern kann.

Wie wird die Höhe der Zahlung berechnet?

"Die Berechnung ist ausgesprochen schwierig", gibt Vollmari zu bedenken. Die Berechnung richte sich am Einzelfall aus. Herangezogen wird zunächst das Einkommen des Kindes - auch Zuwendungen wie Urlaubsgeld, Überstundenvergütungen und Sparzulagen. Bei Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit oder Gewerbebetrieb ist der Durchschnitt der drei vorangehenden Jahre als Grundlage heranzuziehen.

Vom Einkommen abgerechnet werden sogenannte abzugsfähige Positionen. Dazu zählt die Altersvorsorge. Bis zu 25 Prozent des Nettoeinkommens können dazu verwendet werden. Abgezogen werden vom Bruttoeinkommen außerdem Steuern, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und Ausgaben für den Job.

Vorrangig sind die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern und den Ehepartnern. Außerdem muss dem Kind selbst ein angemessener Betrag bleiben. Wie viel das ist, hängt unter anderem von den örtlichen Lebensverhältnissen ab. Nach den Leitlinien vieler Oberlandesgerichte sind es 1400 Euro monatlich. Darin enthalten sind bei einem Alleinstehenden zum Beispiel 440 Euro für die Unterkunft. Nur die Hälfte des Einkommens, das nach Abzug übrig bleibt, muss für den Unterhalt der Eltern eingesetzt werden.

Können auch die Schwiegerkinder herangezogen werden?

Nicht direkt. Aber ihr Einkommen wird mit einberechnet. Hat beispielsweise der Schwiegersohn ein hohes Gehalt, wird davon ausgegangen, dass der nicht berufstätigen Frau ein gewisses Taschengeld zur Verfügung steht, sagt Vollmari. Dies gilt als Einkommen.

Müssen die Kinder auch ihr Vermögen einsetzen?

Ja. Ist das Einkommen des Kindes zu gering, muss es aus dem Vermögen - falls vorhanden - Unterhalt bestreiten. Ausgenommen ist eine selbst genutzte Immobilie, allerdings nur, wenn sie nicht geerbt ist. Schenkungen der Eltern der vergangenen zehn Jahre müssen zurückgegeben werden, wenn Vater oder Mutter bedürftig werden. Einen einheitlichen Freibetrag gibt es nicht.

Fazit: Diehn mahnt zur Vorsicht: "Im Einzelnen ist die Rechtsprechung extrem uneinheitlich." Vollmari rät Betroffenen deshalb dazu, sich an einen Fachanwalt zu wenden, der anhand der individuellen Position ausrechnen kann, ob und wie viel Unterhalt fällig ist - am besten schon, bevor man der Behörde Auskunft erteilt. Allerdings sei die Zahl der Fälle zurückgegangen, in denen Elternunterhalt gezahlt werden muss, seitdem es die Pflegeversicherung gibt.

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