Trier Tabuthema Kontaktabbruch: Was Expertinnen raten
Trier · Nachgefragt: Viele Leserinnen und Leser nutzten die TV-Telefonaktion, um über ein großes schambesetztes Problem zu reden.
Wenn Kinder nichts mehr mit den Eltern zu tun haben wollen, dann bleiben Mütter und Väter oft verzweifelt und ratlos zurück. Viele betroffene Eltern nutzten den speziellen Service des Volksfreunds und fragten zwei Psychologinnen während der TV-Telefonaktion um Rat.
Hier eine Auswahl an Fragen und Antworten:
Mein Sohn hat geheiratet und ist mit seiner Frau weggezogen. Plötzlich hat er den Kontakt abgebrochen, obwohl wir uns immer gut verstanden haben. Ich vermute, dass meine Schwiegertochter den Kontakt zu uns nicht möchte. Ich würde alles darum geben, um zu wissen, warum es so weit gekommen ist. Doch meine Briefe oder Nachrichten bleiben unbeantwortet. Ich bin wütend und enttäuscht. Was soll ich tun?
Soi Papanastasiou, Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin in der Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle der Diakonie in Trier: Versuchen Sie weiterhin Kontakt zu Ihrem Sohn aufzubauen, ohne Vorwürfe, ohne Schuldzuweisungen. Für sich als Mutter können Sie professionelle Unterstützung in Beratungsstellen oder bei Therapeuten suchen, um mit den Gefühlen der Hilflosigkeit, Trauer, Scham und Wut umgehen zu können.
Unsere Tochter ist zum Studieren weggezogen und hat nun geschrieben, dass sie erst einmal keinen Kontakt zu uns möchte. Wir hatten vorher ein sehr enges Verhältnis. Vielleicht war unsere Beziehung ja zu eng?
Papanastasiou: Wichtig ist, den Kontaktabbruch erst einmal zu respektieren. Nähe und Abstand müssen in einer gesunden Eltern-Kind-Beziehung möglich sein. Es geht dabei darum, die Bedürfnisse des Kindes ernst zu nehmen. Denn wenn Sie das nicht akzeptieren, könnte die Kluft noch größer werden. Eine Annäherung könnte so aussehen, dass Sie immer wieder zum Geburtstag oder zu Weihnachten eine Karte schicken. So signalisieren Sie, dass Sie an Ihre Tochter denken und dass die Tür immer offen bleibt – wir sind für dich da, wenn du uns brauchst. In den seltensten Fällen bleibt ein Kontaktabbruch für immer bestehen. Häufig sind es Phasen.
Bei der Scheidung von meiner Frau gab es viel Streit. Darunter haben unsere zwei Töchter wohl sehr gelitten. Sie haben bei der Mutter gelebt und wollten irgendwann keinen Kontakt mehr zu mir, obwohl ich mich immer sehr um sie bemüht habe. Irgendwann habe ich aufgegeben. Das ist viele Jahre her. Gibt es nicht doch noch eine Chance, dass meine Kinder und ich wieder zusammenfinden?
Dr. Andrea Mohr, Diplom-Psychologin der Lebensberatung des Bistums Trier in Bitburg: Wenn Kinder eine konfliktreiche Trennung ihrer Eltern erleben, geraten sie häufig in einen Loyalitätskonflikt. Manchmal führt dieser Konflikt dazu, dass der Kontakt zu dem Elternteil, bei dem das Kind nicht wohnt, vermieden oder ganz abgebrochen wird. Wenn Ihre Töchter jetzt erwachsen sind, gibt es durchaus eine Chance, dass Sie noch mal einen Kontakt herstellen und die Beziehung intensivieren können.
Mein Mann und ich haben schon seit 20 Jahren keinen Kontakt mehr zu unserem mittlerweile 50-jährigen Sohn. Es bricht mir immer noch das Herz. Sowas kommt in anderen Familien nicht vor. Deswegen rede ich mit niemandem darüber und fresse den Kummer regelrecht in mich hinein.
Mohr: Wenn Kinder den Kontakt abbrechen, dann sind die Eltern nicht nur verzweifelt, sondern auch voller Scham. Sie fragen sich, was sie falsch gemacht haben und was wohl andere von ihnen denken, wenn sie hören, dass ihr Kind keinen Kontakt mehr will. Das Thema Kontaktabbruch zwischen Kindern und Eltern ist ein Tabuthema, die Betroffenen tun sich schwer, darüber zu reden. Dabei sind sehr viele Eltern betroffen! Mich haben bei der heutigen Telefonaktion viele Menschen angerufen und auch in meiner Beratungstätigkeit begegnet mir dieses Thema häufig. Sie sind nicht allein mit diesem Kummer!