Worauf Verbraucher bei der Baufinanzierung nicht nur in der aktuellen Lage achten sollten

Trier · Ob als Geldanlage oder zur Alterssicherung: Der Traum von den eigenen vier Wänden ist für viele immer noch ein wichtiges Lebensziel. Doch weil man sich oft für Jahrzehnte finanziell bindet, sollte dieser Schritt durchdacht sein, selbst wenn niedrige Zinsen locken.

Das Volumen der an die Privathaushalte vergebenen Baukredite aller Banken und Sparkassen hat einen neuen Rekordwert erreicht. Laut Bundesbank betrug es zum Jahreswechsel 1,23 Billionen Euro - der höchste Stand kreditfinanzierter Bauvorhaben seit der Finanzkrise 2007/2008. Ein Plus für 2015 von 3,5 Prozent.

Aktuelle Lage: Ist denn der jetzige Zeitpunkt mit niedrigen Zinsen ein guter Zeitpunkt für eine Baufinanzierung? "Günstige Zinsen sind immer ein guter Zeitpunkt", sagt Kirsten Thul-Kunsmann, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, Beratungsstelle Trier. Gleichzeitig warnt sie vor voreiligen Abschlüssen. Da eine Baufinanzierung mehr als 20 Jahre andauere, müssten Kreditnehmer "einen realistischen Blick in die Zukunft werfen", sagt sie. Denn wer jetzt schon weiß, dass er den Job wechselt, sich Kinder wünscht und nur ein voller Verdienst zur Finanzierung bereitsteht, "für den gilt es, die Entscheidung gut zu überdenken".

Wert: Auch wer eine Immobilie als Geldanlage sieht, wird laut den Daten ernüchtert. Zwar gibt es in Einzelfällen Wertsteigerungen, im Durchschnitt liegen die Wertänderungen jedoch kaum über der allgemeinen Preissteigerungsrate. Wer dann eine nicht abbezahlte Immobilie vorzeitig verkaufen muss, hat nicht nur hohe Risiken, sondern zusätzliche Kosten, wenn die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung einfordert.

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Kreditrahmen: Was für alle Immobilienbesitzer gilt, ist, dass "für jeden Einzelnen die Finanzierung jetzt und in Zukunft tragbar sein muss", sagt Thul-Kunsmann. Dazu sollte man monatliche Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellen. Manche Banken raten, die Kreditrate sollte nicht mehr ausmachen als 40 Prozent des Nettoeinkommens. Die übrigen 60 Prozent seien für die Lebenshaltung notwendig. Aber: Dies sind nur Anhaltswerte, denn jeder Lebensentwurf hat andere Prioritäten. Dies gilt auch dafür, wann eine Immobilie schuldenfrei sein soll.

Und: Wer kein oder nur wenig Eigenkapital einsetzt, bezahlt höhere Zinsen und braucht oft länger zur Entschuldung. Zum Eigenkapital zählen auch Sparverträge zur Altersvorsorge wie Renten- und Kapitallebensversicherungen und Geldanlagen. Wer sie nicht als Eigenkapital einsetzt, muss mehr Kredit aufnehmen und braucht länger zur Tilgung.

Außerdem: Kalkulieren Sie alle Kosten Grunderwerbssteuer, Grundbuch- und Notarkosten sowie Maklercourtage, Möbel oder Ausgaben für den neuen Garten mit in eine Finanzierung ein. Denn Nachfinanzierungen können teuer sein oder abgelehnt werden. Ist der Kredit doch zu hoch bemessen, kann eine Sondertilgung geleistet werden. Deshalb rät die Verbraucherzentrale, Sondertilgungsrechte zu vereinbaren und Tilgungssätze verändern zu können. Je nach finanzieller Situation können zwischen einem oder zehn Prozent der Darlehenssumme monatlich getilgt werden.

Finanzierungsmodelle: Ob Annuitätendarlehen oder Bausparvertrag als gängigste Finanzierung: "Es gibt sehr viele Finanzierungsmodelle, und ständig kommen neue Kreationen hinzu", sagt Verbraucherschützerin Kirsten Thul-Kunsmann, so dass auch hier immer der Einzelfall zähle.

Anschlussfinanzierung: Wer aktuell das Zinstief zur Anschlussfinanzierung nutzen möchte, dem rät Kirsten Thul-Kunsmann die Dauer die Zinsbindung zu beachten, sich rechtzeitig um neue Bankangebote zu kümmern und Zusatzkosten etwa beim Wechsel des Finanzierers auszuloten. Dann gelte: "Je länger bei den derzeitigen Zinssätzen eine Bindung erfolgt, desto besser." Denn auch wenn die Sollzinsen bei langen Verträgen oft höher lägen als bei kurzen Bindungen, so sei davon auszugehen, dass dies derzeit das günstigerer Modell sei.

Fehler: Damit Bauherren und Immobilienkäufer schon im Vorfeld gerüstet sind für ihr Mammutprojek, sollten sie folgende Fehler vermeiden: genug Eigenkapital aufbauen, die so genannten Muskelhypothek, ihre Eigenleistung, nicht überschätzen und sich nicht "in die Tasche lügen" nach dem Motto "wir schaffen das schon" sowie Zukunftsrisiken wie Tod, Berufsunfähigkeit und Scheidung ausreichend absichern.

Mit dem Thema der Baufinanzierung endet unser Schwerpunktmonat Familie & Volksfreund, Bauen und Immobilien. Alle Texte, Links, Tipps und Checklisten unserer Schwerpunkte finden Sie auch

Extra
Bausparverträge auflösen?

Bausparer sollten einen gut verzinsten Bausparvertrag nicht leichtfertig auflösen. Das gilt auch, wenn ihnen die Bausparkasse ein scheinbar unschlagbares Festgeld-Angebot unterbreitet oder ein Kündigungsrecht angibt. Laut Verbraucherschützern versuchen vereinzelt Anbieter so, ihre Kunden zum Wechsel zu bewegen. "Doch wenn die Bausparkasse kein Kündigungsrecht hat, ist ein Wechsel nur zum Nachteil der Verbraucher", sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Konkret betroffen seien Bausparverträge, bei denen das Guthaben noch unter der Bausparsumme liegt und der Vertrag erst seit kurzem zuteilungsreif ist. Bei den Festgeld-Alternativen seien die Zinsen häufig geringer und die Laufzeit kürzer, warnt er. Kunden sollten sich nicht verunsichern lassen, wenn der Anbieter ankündigt den Vertrag aufzuösen. Denn Bausparverträge dürften Kassen in der Regel erst kündigen, wenn der Kunde so viel eingezahlt hat, dass er die Bausparsumme erreicht hat. dpa

Rat und Tipps zur Baufinanzierung in Zeiten niedriger Zinsen
Telefonaktion am Mittwoch, 23.03., von 17 bis 19 Uhr

Wer derzeit plant, angesichts von niedrigen Zinsen, ein Haus zu bauen oder eine Immobilie zu kaufen, bekommt bei unserer heutigen Telefonaktion mit der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz Tipps rund um die Baufinanzierung.

Der Traum von den eigenen vier Wänden sollte auf eine sichere finanzielle Grundlage gestellt werden. Hierzu bieten die beiden Finanz-Expertinnen der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz heute Gelegenheit. Kirsten Thul-Kunsmann von der Trierer Beratungsstelle berät unter anderem über verschiedene Finanzierungsmodelle und die Vor- und Nachteile der Varianten. Sie ist unter Telefon 0651-7199-194 zu erreichen.
Wie man sich eine Baufinanzierung langfristig sichern und von den aktuell niedrigen Zinsen je nach individuellen Möglichkeiten profitieren kann, unter anderem darüber berät Josephine Holzhäuser von der Verbraucherzentrale Mainz. Sie ist heute unter Telefon 0651-7199-195 erreichbar. sas

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