Experten-Rat Mit Kindern über den Krieg sprechen: „Seien Sie offen für Fragen“

Trier · Zerstörung, verletzte Menschen, Flüchtlingsströme: Wie können Eltern ihren Kindern diese bedrückende Ausnahmesituation erklären? Rat dazu gab es von unseren Experten am Telefon.

 Durch die Medien erfahren Kinder und Jugendliche vom Krieg und werden mit schrecklichen Bildern konfrontiert. Eltern sollten sie dabei nicht allein lassen.

Durch die Medien erfahren Kinder und Jugendliche vom Krieg und werden mit schrecklichen Bildern konfrontiert. Eltern sollten sie dabei nicht allein lassen.

Foto: Getty Images/iStockphoto/T Turovska

Die Bilder des Krieges in der Ukraine erreichen nicht nur die Erwachsenen hier bei uns. Auch Kinder und Jugendliche sehen die Bilder aus den Krisengebieten von verletzten Menschen, von Flüchtlingen und von Zerstörung. Viele machen sich Sorgen darüber, ob der Krieg auch Deutschland und damit sie erreichen könnte. Expertinnen haben dazu Fragen von Leserinnen und Lesern beantwortet. Hier eine Auswahl

Unser Kind ist in der Grundschule und hat durch Radio und Fernsehen vom Krieg in der Ukraine mitbekommen. Was können wir tun, damit es das Gehörte und die Bilder gut verarbeiten kann?

 Anne Feld, Psychologin (M.Sc.), Psychologische Psychotherapeutin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Weiterbildungsstudiengang und in der Hochschulambulanz an der Uni Trier: Eltern können gemeinsam mit ihrem Kind Nachrichten aus einer kindgerechten Quelle schauen, etwa „Logo“ oder die „Sendung mit der Maus“. Denn diese sind dem kognitiven und emotionalen Entwicklungsstand des Kindes angepasst. Seien Sie offen für Fragen des Kindes und signalisieren Sie ihm, dass Sie für es da sind, wenn es Sorgen oder Ängste haben sollte. Dass Kinder darüber reden können, was sie hören und sehen, nimmt schon einen Großteil eines möglichen Schreckens. Wichtig ist, dass Sie Ihrem Kind einen sicheren Rahmen bieten und es ernst nehmen. Ihre eigenen Ängste und Sorgen können Sie benennen, diese sollten aber nicht dramatisiert werden. Und Kinder sind unterschiedlich: Sehr empfindsame Kinder könnten größere Probleme haben, etwa Bilder, die sie gesehen haben, zu verarbeiten als andere Kinder.

Ich bin Lehrerin und habe den Krieg in der Ukraine im Unterricht thematisiert. In meiner Klasse sind auch Kinder von Geflüchteten, sie waren danach sehr verängstigt. Wie kann ich nun weiter vorgehen?

Nina Fritz, Psychologin (B.Sc.) bei dem Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Palais e.V.: Wichtig ist, dass Sie nicht mehr auf den Informationsaustausch setzen, sondern auf die Frage: „Was kann helfen, um mit der Angst umzugehen und um davon wegzukommen?“ Nehmen Sie die Angst der Kinder ernst und vermitteln Sie Ihnen, dass sie in Deutschland sicher sind. Parallel dazu können Sie auf positive Dinge eingehen. Dabei können Fragen wie „Was passiert gerade Schönes in eurem Leben?“ und „Was würde dir guttun?“ helfen. Hilfreich kann sein, gemeinsam mit der Klasse zu singen. Das klingt vielleicht albern, aber man weiß, dass beim lauten Singen das Angstzentrum im Kopf blockiert wird. 

Unser Kind ist in der Kita. Ab welchem Alter sollte man mit dem Kind über das, was gerade in der Ukraine passiert, sprechen?

Silke Kistinger, Psychologin (M.Sc.), Psychologische Psychotherapeutin und Stellvertretende Leiterin des Weiterbildungsstudiengangs Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie der Universität Trier sowie Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Hochschulambulanz: Es kommt einerseits auf den kognitiven und emotionalen Entwicklungsstand des Kindes an, andererseits darauf, welche Informationen das Kind aufgenommen hat und ob es darüber sprechen möchte. Sie können ein Angebot machen, über den Krieg zu sprechen, Sie sollten das Kind aber nicht dazu drängen. Denn man muss nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Kind sich bei bestimmten Nachrichten Sorgen macht. Macht ein Kind sich keine Sorgen, ist das auch okay. Wenn es hingegen Fragen hat und darüber sprechen möchte, können bei jüngeren Kindern Situationen aus dem Kita-Alltag, in denen es um Konflikte geht, als Vergleich herangezogen werden, um den Krieg zu erklären.

Ich habe drei Kinder im Grundschulalter und bin selbst sehr beunruhigt. Was kann ich tun, damit meine eigenen Ängste nicht auf die Kinder überschwappen?

Yvonne Eltze, Diplom-Psychologin der Lebensberatung des Bistums Trier in Gerolstein: Achten Sie auf Ihre mentale Gesundheit. Das kann bedeuten, den Nachrichtenkonsum auf einmal täglich runterzufahren. Hilfreich kann auch sein, auf Nachrichten aus Fernsehen und Internet ganz zu verzichten und sich stattdessen einmal am Tag über Nachrichten aus Zeitungen oder dem Radio zu informieren. Nehmen Sie sich Auszeiten und tauschen Sie sich mit anderen Erwachsenen aus. Pflegen Sie mit Ihren Kindern Rituale, verbringen Sie gemeinsam „positive Zeit“, etwa beim gemeinsamen Spielen. Das vermittelt Kindern Sicherheit und gibt ihnen Vertrauen.

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