Landespolitik Die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz steht! Aber bei zwei Parteien kommen auch Misstöne auf

Mainz · Dabei geht’s auch um den A1-Lückenschluss. Besonders in der Wirtschaftspolitik und beim Klimaschutz heben SPD, Grüne und FDP Erfolge hervor, die Regierungsarbeit bis 2026 prägen sollen.

 Rot, gelb, grün: Die Ampelkoalition steht für die nächste Legislaturperiode im Land. Am 18. Mai ist konstituierende Sitzung.

Rot, gelb, grün: Die Ampelkoalition steht für die nächste Legislaturperiode im Land. Am 18. Mai ist konstituierende Sitzung.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Landesregierung in Rheinland-Pfalz leuchtet weiter in den Farben der Ampel. Die Delegierten von SPD, FDP und Grünen setzten einen Stempel unter den Koalitionsvertrag der Ampelkoalition und nickten ihn deutlich ab.

Besonders bei der SPD fand das Papier der Ampelkoalitionäre breite Zustimmung von mehr als 96 Prozent. Ministerpräsidentin Malu Dreyer warb in einer Rede fast schon im Wahlkampfton um die Akzeptanz der Delegierten. Inhaltlich betonte die Triererin – nach den vergangenen Wochen wenig überraschend – die „Zukunftsthemen“ Klimawandel, Transformation und Digitalisierung. Zukunftspolitik sei eben nicht ausschließlich Klimapolitik, auch wenn Dreyer betonte, dass sie stolz darauf sei, „dass wir uns auf ein so ambitioniertes Ziel wie die Klimaneutralität bis 2040 einigen konnten“. „Es ist aber auch wichtig, dass wir dafür sorgen, dass es im Land weiter eine sozial gerechte und starke Wirtschaft gibt“, sagte Dreyer. Die Ampelkoalition soll in den kommenden fünf Jahren Ökologie, Ökonomie und soziale Gerechtigkeit vereinen. „Dass wir Transformation und Digitalisierung in einem Haus miteinander verbinden, zeigt, dass wir Entwicklungen, die die Zukunft prägen, gemeinsam denken“, sagte Dreyer. Die Genossen kündigen an, bei beiden Trends „Hand in Hand mit den Gewerkschaften, aber auch mit den Arbeitgeberverbänden die Härten“ abzufedern: „Und zwar so abzufedern, dass wir alle davon profitieren.“ 

Wo bei der SPD Harmonie herrschte, kamen bei Grünen und FDP auch Misstöne auf. Die Grünen beschlossen den Vertrag dennoch mit 83,3 Prozent, nachdem Anne Spiegel um Zustimmung geworben hatte. Die 40-Jährige, die ihre Partei als Spitzenkandidatin in die Landtagswahl geführt hatte, hob Erfolge in den Verhandlungen hervor. „Der Koalitionsvertrag ist ein Klimaschutzvertrag, die Ampel leuchtet grüner“, befand die vierfache Mutter, die ihre Sicht untermauerte. Kein Bundesland habe ein dermaßen ambitioniertes Ziel wie Rheinland-Pfalz, das in einem Korridor zwischen 2035 und spätestens 2040 klimaneutral sein wolle. Spiegel hob die Ziele hervor, bis 2030 die Leistung aus Windenergie zu verdoppeln, aus Solarkraft zu verdreifachen und in der Wahlperiode bis 2026 das 365-Euro-Verkehrsticket für junge Menschen ins Leben zu rufen. Spiegel räumte aber ein, sich mehr Zugeständnisse auf den 183 Seiten erhofft zu haben. „Wir hätten uns mehr gewünscht – wie die Photovoltaik-Pflicht auf Dächern von privaten Neubauten oder mehr Verbindlichkeit in der Geschlechter-Parität“, sagte Spiegel. Große Sprünge seien beim Landtagswahl-Ergebnis von 9,3 Prozent bei der Landtagswahl und angesichts einer Dreier-Koalition nicht möglich gewesen, gestand die Grünen-Landtagsabgeordnete Jutta Blatzheim-Roegler aus Bernkastel-Kues, die aber mit Bezug auf die Ampelkoalition wenig schmeichelhaft von der Chance sprach, „aus einem lahmen Tanker so was wie ein Schnellboot zu machen“ und Hintertürchen offen ließ. Bei Projekten wie dem A1-Lückenschluss deutete sie an, dass aus ihrer Sicht das letzte Wort nicht gesprochen sei. Blatzheim-Roegler hoffte auf einen grünen Sieg bei der Bundestagswahl „und ein Moratorium der großen Straßenbauprojekte“, legte sie nach, was der FDP kaum schmecken kann. Dem Koalitionspartner SPD warf dagegen die Trierer Bundestagsabgeordnete Corinna Rüffer vor, „grünen progressiven Ideen“ wie bei der Inklusion nicht zu folgen und zu wenig auf dem Schirm zu haben. „Das wundert mich aber nicht, wenn ich sehe, was Ministerin Hubig als KMK-Vorsitzende auf die Kette bekommen hat“, lästerte Rüffer.

Der schärfste interne Gegenwind wehte von Björn Hayer vom Kreisverband Südwestpfalz. Er nannte das Papier eine „moralische Bankrotterklärung“. Er vermisste eine Tierschutzbeauftragte, Überwachung von Schlachthöfen, warf ein, die Ampelkoalition bewerbe dafür lieber Wildfleisch. „Das ist eine Klatsche ins Gesicht von allen, die sich auf Labersitzungen engagiert haben. Nichts reicht für nichts aus“, sagte Hayer und unterstrich sein klares Nein. Damit war er bei den Grünen aber nur einer von rund 17 Prozent der grünen Delegierten, die dem Vertrag nicht zustimmten.

Und die Liberalen? Mit 82,9 Prozent oder 131 Jastimmen stimmte die FDP dem Vertrag mit SPD und Grünen zu. Aber es gab auch 23 Neinstimmen und vier Enthaltungen. Landeschef Wissing, noch Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister, schwor den digital gut vernetzten Saal darauf ein, dass die FDP „erfolgreich Chancen für die Gesellschaft erkämpft hat“, ohne eigenes Profil aufzugeben. Das gebe Aufwind für die Bundestagswahl, auf den er sich als Generalsekretär nach dem 18. Mai konzentriert. Es sei erreicht worden, dass die 80 beim Landesbetrieb Mobilität eingestellten Ingenieure weiter den Sanierungsstau bei Investitionen in Straßen und Radwege abbauen. Eine Erfolgsgeschichte ist für ihn auch die Geobox, das Projekt für die durchgängige Digitalisierung der modernen Landwirtschaft, aber auch die Chance, den Standort für Nutzfahrzeuge im Verkehrs- und Wirtschaftsministerium weiter zu stärken. Das Ministerium sei maßgeschneidert für die FDP, die dem Bündnis „gutgetan hat“ – auch mit Minister Herbert Mertin, der Justiz wieder skandalfrei gehalten und digitalisiert hat. Für Wissing ist die Mainzer Ampel „keine Blaupause für den Bund“, aber für Mainz die Chance, „das Land nach vorne zu bringen“.

Schmitt, die künftige Wirtschaftsministerin, warb leidenschaftlich fürs Ziel, die Innenstädte zu beleben. Außerdem sei es gelungen, den Ausbau erneuerbarer Energie verträglich zu gestalten. Es bleibe dabei, dass in schützenswerten Kernzonen wie im Pfälzer Wald, in 100 Jahren alten Laubmischwaldbeständen oder im Mittelrheintal keine Windräder aufgestellt werden und Solaranlagen auf Privathäusern keine Pflicht werden. Da klingt an, dass dies nicht einfach durchzusetzen war.

Trotzdem überzeugte die tatkräftige Liberale nicht alle Kritiker. Einer vermisste ein klares Plädoyer für mehr Rheinbrücken, der andere kritisierte die Solarpflicht auf neuen Gewerbebauten und der bekannte interne Kritiker vom Donnersberg, Christian Ritzmann, sah die FDP „am Katzentisch“, weil beispielsweise Windmühlen auf vorbelasteten Flächen am Pfälzer Wald erlaubt werden, um den Klimawandel zu schaffen. Doch selbst der scharfe Ampelkritiker von 2016, Alexander Buda (Neuwied) muss feststellen, dass das Bündnis nach dem Wahlergebnis „zwingend ist“, zumal ein Gang in die Opposition seit 2017 (FDP-Absage an Jamaika im Bund) nicht mehr möglich sei.

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