USA Ein Urteil, das auch Erdogan trifft

New York · Mit fragwürdigen Methoden umging Mehmet Hakan Atilla die Iran-Sanktionen. Dem Banker droht eine lange Haftstrafe. 

  Mehmet Atilla sagt Mitte Dezember  vor einem Gericht in New York aus.

 Mehmet Atilla sagt Mitte Dezember  vor einem Gericht in New York aus.

Foto: dpa/Elizabeth Williams

(dpa) Angeklagt war Recep Tayyip Erdogan nicht. Und doch wirkt es ein wenig wie ein Schuldspruch gegen den türkischen Staatschef, als in einem New Yorker Gericht das Urteil fällt: Mehmet Hakan Atilla, Ex-Vizechef der staatlichen türkischen Halkbank, ist schuldig, unter anderem wegen Bankbetrugs und der Verschwörung zur Geldwäsche. Durch seine Tricks – und mit Erdogans Zustimmung – wurden Milliardengeschäfte zwischen der Türkei und dem Iran möglich und Sanktionen der USA umgangen, so die Jury.

Mehrfach hatte Erdogan sich laut New York Times persönlich bemüht, den vor Monaten angelaufenen Prozess abzuwenden. Nicht nur gegenüber Vertretern der US-Regierung, auch in einem direkten Telefonat mit Präsident Donald Trump habe Erdogan den Fall thematisiert.

Sein Vize-Ministerpräsident Bekir Bozdag sprach im November von einem inszenierten „Theater“, das da in Manhattan stattfinde. Und das, als habe der Streit um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen, den Erdogan für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht, beiden Seiten nicht schon genug Kopfschmerzen bereitet.

Zu verdanken ist das Schauspiel  vor allem Reza Zarrab. Der heute 34 Jahre alte Goldhändler iranisch-türkischer Abstammung machte auf dem Weg zur Anklagebank im letzten Moment auf dem Absatz kehrt und legte überraschend ein Schuldgeständnis ab. Im Zeugenstand schilderte er en détail, wie der Sanktionsschirm der USA und der Vereinten Nationen mit fragwürdigen Methoden durchlöchert wurde.

Da waren etwa die vorgetäuschten Lieferungen von Lebensmitteln und Medizin, die Geldzahlungen an den Iran möglich machten. Gold wurde in Koffern und Bargeld in Schuhkartons versteckt, um türkische Beamte zu schmieren, sagte Staatsanwalt David Denton im Prozess. Atilla bekam so Zugang zu iranischem Öl im Wert von Milliarden Dollar – genau der Rohstoff, mit dessen Beschneidung Washington auf Teheran Druck ausüben wollte. Und Erdogan, damals noch Ministerpräsident, segnete die Deals 2012 ab, sagte Zarrab.

Kein Wunder, dass die New Yorker Staatsanwaltschaft das Urteil als Erfolg feiert. Welches Schicksal Zarrab nach seinem Geständnis und seinem Deal mit der Staatsanwaltschaft droht, ist offen. Zudem sind sieben weitere Angeklagte auf freiem Fuß, die für US-amerikanische Strafverfolger in der Türkei schwer zu fassen sein dürften.

Unter ihnen ist auch Mehmet Zafer Caglayan, der bis Ende 2013 unter dem damaligen Ministerpräsidenten Erdogan Wirtschaftsminister war. So mag der Arm der US-Justiz sich aus New York über 8400 Kilometer bis nach Ankara gestreckt haben – gepackt hat er zunächst nur Atilla und Zarrab. Und so schnell scheint das letzte Wort in dem Prozess auch noch gar nicht gesprochen zu sein. „Wir sind enttäuscht über das Urteil und haben vor, Berufung einzulegen“, sagt Atillas Anwältin Cathy Fleming. Atilla sei „traurig, aber entschlossen, seinen Namen reinzuwaschen“, sagt sein weiterer Verteidiger Victor Rocco dem „Wall Street Journal“ zufolge.

Das Strafmaß soll voraussichtlich am 11. April verkündet werden. Atilla drohen Jahrzehnte hinter Gittern. Den USA, die ihre ab den 1970er Jahren eingeführten und schrittweise verschärften Strafmaßnahmen gegen den Iran durchsetzen müssen, verpasst das Urteil einen Schub. „Ausländische Banken und Banker haben die Wahl“, sagt Staatsanwalt Kim. „Sie können dem Iran und anderen sanktionierten Ländern helfen, US-Recht zu umgehen, oder sie können Teil der internationalen Bankenlandschaft sein, die US-Dollar Transaktionen abwickelt. Aber sie können nicht beides tun.“

(dpa)
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