Urteil: Sammelklage verstößt gegen Rechtsdienstleistungsgesetz Klage gegen das Lkw-Kartell abgewiesen

München · Das Landgericht München hat die Abtretung immenser Schadenersatzforderungen Tausender Käufer an ein Inkassounternehmen für rechtswidrig erklärt.

 Jahrelang haben Lastwagenbauer Preislisten ausgetauscht. Tausende Spediteure haben deshalb auf Schadenersatz geklagt.

Jahrelang haben Lastwagenbauer Preislisten ausgetauscht. Tausende Spediteure haben deshalb auf Schadenersatz geklagt.

Foto: dpa/Arnulf Stoffel

Die mit Abstand größte Schadenersatz-Klage gegen das europäische Lkw-Kartell ist gescheitert. Das Landgericht München hat am Freitag entschieden, dass die Klage über 867 Millionen Euro rechtlich nicht zulässig ist. Sie verstößt laut Urteil gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Die Klägerin, die Inkassofirma Financialright, kündigte umgehend Berufung an.

Mehr als 3000 Spediteure und Transportfirmen aus ganz Europa wollten Schadenersatz von den Lastwagenherstellern MAN, Daimler, DAF, Iveco und Volvo/Renault, weil die Unternehmen jahrelang Preislisten ausgetauscht hatten. Die Unternehmen traten ihre Forderungen wegen 84 000 angeblich überteuert verkaufter Lastwagen aber an die Inkassofirma Financialright ab, die im jetzt entschiedenen Prozess als alleinige Klägerin vor Gericht auftrat.

Im Erfolgsfall hätte Financialright ein Drittel der Schadenersatzsumme kassiert. Die EU-Kommission hatte den Kartellanten insgesamt fast vier Milliarden Euro Bußgeld aufgebrummt – allerdings offengelassen, ob den Lkw-Käufern dadurch ein Schaden entstanden ist.

Die Abtretung der Ansprüche an eine Inkassofirma für eine Sammelklage sei nichtig, urteilte das Münchner Gericht. Die Klägerfirma überschreite ihre Inkasso-Erlaubnis. Die Anwälte der Lkw-Hersteller hatten schon beim Prozessauftakt im Oktober argumentiert, dass eine Inkassofirma nur rechtlich unstrittige Forderungen einziehen dürfe.

Die Vorsitzende Richterin Gesa Lutz sieht außerdem eine rechtswidrige Interessenkollision. Denn es gehe um völlig verschiedene Lastwagen, vom Sattelschlepper bis zum Betonmischer, mit verschiedenen Motoren und Ausstattungen, von verschiedenen Herstellern, von Kunden in verschiedenen Ländern gekauft, zum Teil sogar Jahre vor Einführung des Euro. Diese Bündelung von Ansprüchen mit völlig unterschiedlichen Erfolgsaussichten bei einer Firma, die im Erfolgsfall pauschal ein Drittel der Summe kassiere, verstoße gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Das Gesetz schütze die Rechtssuchenden „vor unqualifizierten Rechtsdienstleistern“.

Beim Landgericht liegt noch eine zweite Financialright-Klage über 541 Millionen Euro. Über diese Klage hat das Gericht noch nicht entschieden. Daneben gibt es in München rund 110 weitere Verfahren zum Lkw-Kartell. Darunter ist auch die Deutsche Bahn, die mit der Bundeswehr und anderen Unternehmen zusammen die Lkw-Kartellanten auf eine halbe Milliarde Euro Schadenersatz verklagt hat.

Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) hatte seinen Mitgliedern zu der Klage über Financialright geraten. Financialright-Geschäftsführer Jan-Eike Andresen sagte, seine Firma prüfe jetzt eine Berufung beim Oberlandesgericht München. „Das Landgericht München stellt sich diametral gegen die Entscheidung des Bundesgerichtshofs“, sagte er.

Der BGH hatte im November in einem Grundsatzurteil entschieden, dass ein Inkasso-Unternehmen die Klage eines Mieters gegen seinen Vermieter übernehmen durfte. Richterin Lutz wies aber auf einen wesentlichen Unterschied zu dem Münchner Verfahren hin: „Der Bundesgerichtshof hatte nicht über eine Sammelklage zu entscheiden.“

Financialright werde auch prüfen, ob die Klagen aufgeteilt werden könnten, sagte Andresen. Grundsätzlich stehe das Modell nicht infrage. Klagen gegen das Lkw-Kartell sind an mehreren deutschen und europäischen Gerichten anhängig, die meisten und größten davon in München.

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