Der AfD-Landrat und die Frau mit dem Hitler-Wein Politikwissenschaftler aus Trier wirft Sesselmann Nähe zu Rechtsextremisten vor

Trier/Sonneberg · Zurzeit wird geprüft, ob der frisch gewählte AfD-Landrat Robert Sesselmann verfassungstreu ist. Ein Trierer Politikwissenschaftler macht eine Nähe zu bekannten Rechtsextremisten und zu einer Frau aus, die in Berlin aus der AfD-Fraktion ausgeschlossen wurde.

Björn Höcke, Vorsitzender der AfD Thüringen (links) und Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender (rechts) gratulieren im Garten des Restaurants Frankenbaude dem Wahlsieger des Thüringer Kreis Sonneberg, Robert Sesselmann (Mitte). Im Hintergrund ist Jessica Bießmann zu sehen (links mit Smartphone), wie sie die anderen filmt.

Foto: dpa/Martin Schutt

Die Mehrheit der Wähler im Landkreis Sonneberg, einem Partnerkreis des Eifelkreises Bitburg-Prüm, hat Robert Sesselmann, einen AfD-Mann, zum Landrat gewählt. Die Wähler und Wählerinnen haben damit ein Mitglied einer „gesichert rechtsextremen Bestrebung“ – so ordnet der thüringische Verfassungsschutz die AfD in dem Bundesland ein – zum Wahlbeamten gemacht. Ob das überhaupt möglich ist, hat vor der Landratswahl in Thüringen niemand bedacht.

So läuft nun der von vielen als eher unglücklich bezeichnete Check Sesselmanns auf Verfassungstreue. Der Hintergrund: Beamte müssen immer hinter dem Grundgesetz stehen. Wer das nicht tut, kann nicht als Beamter vereidigt werden. Und bei der AfD in Thüringen bestehen aus Sicht des Verfassungsschutzes unter anderem wegen des Geschichtsrevisionismus des Vorsitzenden Björn Höcke Zweifel daran. Doch wo steht Robert Sesselmann?

Sesselmann: Vorwurf des Rechtsextremismus „völlig neben der Sache“

Als ihn eine Journalistin auf der Wahlparty zur Einstufung des Verfassungsschutzes befragt, erklärt er, dass er Rechtsanwalt sei und weder extrem noch rechtsextrem. „Wenn sie eine Anwaltszulassung haben, dürfen sie keinerlei Straftaten begangen haben – jedweder Art. Deswegen ist Ihr Vorwurf, dass ich rechtsextrem bin, völlig neben der Sache“; sagt er. Was er nicht sagt: Verfassungstreue müssen Rechtsanwälte nicht nachweisen. Ein Beispiel für einen rechtsextremen Rechtsanwalt ist Horst Mahler. Der etliche Male wegen Volksverhetzung verurteilte Jurist hat lange Jahre als Rechtsanwalt gearbeitet, bis ihm 2009 nach erneuten Verurteilungen endgültig die Zulassung entzogen wurde.

Politikwissenschaftler aus Trier wirft Sesselmann Nähe zu Rechtsextremisten vor

Eine Volksverhetzung hat sich Sesselmann jedoch nicht zuschulden kommen lassen. Der Trierer Politikwissenschaftler Professor Markus Linden sieht trotzdem eine große Nähe zu Rechtsextremisten: „Robert Sesselmann ist im Vorstand der AfD-Thüringen, einer rechtsextremistischen und verfassungsfeindlichen Organisation. Von einer Verfassungstreue ist bei ihm nicht auszugehen.“ Den Schluss könne man schon ziehen, wenn man die Wahlparty des Thüringers betrachte. Neben dem rheinland-pfälzischen AfD-Chef, Jan Bollinger, der als einziger bekannterer westdeutscher Vertreter der Partei vor Ort gewesen sei, hat Linden auf Filmaufnahmen gleich mehrere fragwürdige Gäste ausgemacht. Unter anderem gab es dort einen Stand des rechtsextremistischen Compact-Magazins. „Das Organ verbreitet Verschwörungstheorien, Geschichtsrevisionismus und russische Kriegspropaganda“, sagt Linden.

Björn Höcke, „der sich sprachlich und inhaltlich bewusst in die Tradition des Nationalsozialismus stellt“, sei die dominante Person bei der Feier gewesen. Auch ein YouTube-Star der extremen Rechten war vor Ort: Nicolai Nerling war anwesend. Nerling, im Internet als Der Volkslehrer bekannt, ist 2022 in Berlin unter anderem zu einer Bewährungsstrafe wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Der ehemalige Berliner Grundschullehrer hat auf seinem Kanal unter anderem Deutschlands wohl berühmteste Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck interviewt. Zudem soll er einen Mann in seiner jüdischen Identität lächerlich gemacht haben. „Man grenzt sich von diesem Spektrum nicht ab“, sagt Linden mit Blick auf Sesselmanns Wahlparty.

Gast auf Wahlparty zeigte sich zuvor mit Hitler-Weinflaschen

Ebenfalls zu Gast: Jessica Bießmann. „Sie stand direkt beim AfD-Führungskreis“, sagt Linden. „Bießmann unterhält mit Robert Sesselmann, wie etwa der AfD-Facebook-Account aus Sonneberg zeigt, ein vertrautes Verhältnis und trat als Wahlhelferin mit ihm auf.“ 2018 war sie aus der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hinaus geflogen, weil Fotos von ihr bekannt wurden, auf denen sie vor Weinflaschen mit dem Konterfei Adolf Hitlers posiert hat.

Später machte sie von sich reden, weil sie sich gegen die Entfernung eines entdeckten Hakenkreuz-Fundaments aussprach, und zwar mit den Worten: „‘Wehrmacht‘ denn sowas?“ Ein vom Berliner AfD-Landesvorstand eingeleitetes Partei-Ausschlussverfahren gegen Bießmann war nicht erfolgreich. In Thüringen gehört sie inzwischen laut Linden zu den bekannteren AfD-Aktivisten. Sie unterhalte auch Beziehungen zur AfD-Landesvorsitzenden von Brandenburg, Birgit Bessin.

Der Politikwissenschaftler weist noch auf einen weiteren AfD-Landratskandidaten hin, über den auch die AfD-Führung am Wahlabend gesprochen hat: Steffen Kotré, der im Landkreis Dahme-Spreewald kandidiert. Der Bundestagsabgeordnete habe schon in einer Propaganda-Show des russischen Fernsehens mitgewirkt, einen Solidaritätsaufruf für den Holocaust-Leugner Horst Mahler unterschrieben und sich vor Kurzem in Bratislava mit bekannten antisemitischen Rechtsextremisten und Holocaust-Verharmlosern aus Europa getroffen.