Altkanzler macht der SPD das Leben schwer Immer Ärger mit Schröder

Analyse | Berlin · Für Putin ist die Sache klar: Schröder ist ein Held, dem die Deutschen günstiges Gas verdanken. Die SPD aber geht auf größtmögliche Distanz zum Altkanzler und hofft, dass er sich in der Ukraine-Krise nun zurückhält. Spätestens im Sommer aber wird es wieder krachen.

 Seine Nähe zu Putin und russischen Energiekonzernen bringt Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) viel Kritik ein.

Seine Nähe zu Putin und russischen Energiekonzernen bringt Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) viel Kritik ein.

Foto: AP/ALEXANDER ZEMLIANICHENKO

Von Tim Braune

Was haben Corona, der Aufmarsch russischer Truppen nahe der Ukraine und eine Fete älterer Genossen in Mülheim an der Ruhr miteinander zutun? Mehr als man glaubt. An diesem Samstag wollte Bodo Hombach, in rot-grünen Zeiten kurz Kanzleramtsminister und enger Vertrauter von Gerhard Schröder, seine 50-jährige Parteimitgliedschaft feiern. Viele prominente Weggefährten Hombachs waren eingeladen, darunter Schröder und Ex-Parteichef Sigmar Gabriel. Wegen der Pandemie musste Hombach die Party nun schweren Herzens absagen. Die SPD Mülheim teilt auf Anfrage mit, im Sommer werde das nachgeholt, dann schmecken Bier und Currywurst ohne Corona-Regeln sicher viel besser.

Im Berliner Willy-Brandt-Haus dürften sie drei Kreuze machen, dass das Hombach-Event nicht stattfindet. Denn jedes Treffen, und sei es nur eine Plauderrunde ehemaliger SPD-Größen, an dem der 77-jährige Schröder teilnehmen könnte, hat das Potenzial, noch mehr Unruhe zu stiften. Die Parteiführung kam bereits in gewisse Erklärungsnöte, weil sich der bisherige Russland-Beauftragte der alten Bundesregierung, der SPD-Abgeordnete und heutige Innenstaatssekretär Johann Saathoff, mit Schröder in Hannover traf. Mit dabei waren die Ex-Parteichefs Martin Schulz und Matthias Platzeck. Sie alle lauschten, was Schröder zur innerrussischen Lage zu erzählen wusste. Heikel ist das für die Bundes-SPD, weil sie stets betont, zum Altkanzler gebe es starke Firewalls, Schröder habe keinerlei Einfluss auf Regierungsaktivitäten.    

Seit Schröder in seinem eigenen Podcast der Ukraine, die von russischen Soldaten und Panzern umstellt ist, „Säbelrasseln“ vorwarf, ist die SPD-Führung auf noch größere Distanz zu ihrer einstigen Lichtgestalt gegangen, die im russischen Energiereich von Präsident Putin mehrere lukrative Aufsichtsratsmandate hat. Im Sommer will Schröder noch einen Job draufsetzen. Dann soll er in den Aufsichtsrat des vom Kreml gesteuerten Staatskonzerns Gazprom einziehen. Spätestens dann wird es öffentlich wieder krachen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warf Schröder vor, die Grenze zwischen Geschäft und Politik zu verwischen. Das sei nicht nur nicht in Ordnung, "das ist sogar traurig". Anschließend sprach dem Vernehmen nach SPD-Chef Lars Klingbeil mit seinem Freund und Förderer Schröder. Klingbeil fing als Hiwi im Büro des Kanzlers in Hannover an, im Wahlkampf revanchierte sich Schröder mit einem markigen Auftritt bei Klingbeil, der sein Direktmandat haushoch gewann. Nun ist Klingbeil SPD-Chef und hat seinen Mentor gebeten, sich in der nächsten Zeit mit Kommentierungen zur Ukraine-Krise zurückzuhalten. Wie lange wird Schröder Ruhe geben?

Um die öffentliche Meinung schert er sich bekanntlich nicht. Aber auch wenn er schweigt, ist Schröder Thema. Die Union würde ihm am liebsten alle Altkanzler-Privilegien wie Büro und fünf Mitarbeiter streichen, die den Steuerzahler um die 400.000 Euro im Jahr kosten. Schröder hat darauf einen gesetzlichen Anspruch, seine Einnahmen aus Aufsichtsratsmandaten haben rechtlich damit nichts zu tun. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), schimpfte dennoch im „Spiegel“: „Schröder ist der größte Lobbyist unter der Sonne“. Der Linken-Politiker Gregor Gysi kam trotzdem auf die originelle Idee, die Altkanzlerin Angela Merkel und der Altkanzler Schröder könnten doch im Auftrag der Bundesregierung als Vermittler in der Sicherheitskrise in Osteuropa mit Russland verhandeln. Gysi sei gesagt: Bevor das passiert, läuft Scholz zu Fuß nach Moskau.

Beim Kreml-Besuch des Kanzlers Anfang der Woche ging es natürlich auch um Schröder. Zwischen Scholz und Putin entspann sich ein Dialog, der das Zeug zum Klassiker hat. Putin verteidigte seinen Duz-Freund. Ohne Schröder würde es die Nord-Stream-Pipeline gar nicht geben, die günstiges Gas nach Deutschland pumpe: „Der deutsche Bürger soll in seine Tasche gucken und sich die Frage beantworten, ob er bereit ist, dreimal so viel, fünfmal so viel für Gas, für Strom zu zahlen. Wenn er das nicht machen will, dann soll er Herrn Schröder danken. Denn das ist das Ergebnis seiner Arbeit. Das ist sein Ergebnis“, sagte Putin. Dass die Erweiterung Nord Stream 2, die die Gasmenge verdoppeln soll, bei einem russischen Angriff auf die Ukraine tot ist, das blendete Putin selbstredend aus: „Die Pipeline Nord Stream 2 ist fertig und ist bereit, in Betrieb genommen zu werden. Es gibt nur die Frage an den deutschen Regulator, die entsprechende Entscheidung zu treffen, dass Lieferungen über diese Route aufgenommen werden. Das war es.“

Scholz stachelte das zu einer hübschen Replik an. „Was Nord Stream 2 betrifft, will ich die privatwirtschaftlichen Aktivitäten eines früheren Politikers nicht weiter kommentieren. Er spricht nicht für die Bundesrepublik Deutschland, sondern für sich.“

(tb)
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