Ausgabenpläne der Ampel Schlacht um die Auslegung der Schuldenbremse

Analyse | Berlin · Die Frage aller Fragen, der sich die möglichen Ampelkoalitionäre stellen müssen, ist die nach der Finanzierung ihrer ambitionierten Ziele. SPD und Grüne haben grundlegend andere Vorstellungen als die FDP: Sind kreditfinanzierte Investitionen von öffentlichen Unternehmen wie der Bahn mit der Schuldenbremse vereinbar oder nicht?

Zwei, die beide gerne Finanzminister werden möchten: Grünen-Chef Robert Habeck (links) und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner

Zwei, die beide gerne Finanzminister werden möchten: Grünen-Chef Robert Habeck (links) und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner

Foto: dpa/Michael Kappeler

Christian Lindner will es werden, Robert Habeck aber auch. Der FDP-Vorsitzende und der Grünen-Chef liefern sich einen Wettlauf um das Amt des Bundesfinanzministers in einer möglicher gewordenen Ampelkoalition. Dabei wird der Job des Finanzministers in der kommenden Legislaturperiode alles andere als ein einfacher sein: SPD, Grüne und FDP haben ambitionierte Ziele beim Klimaschutz, Digitalisierung, Modernisierung der Infrastruktur, Bildung und zum Ausbau der sozialen Sicherung formuliert, die sie alle auf einmal finanzieren wollen – bei Einhaltung der Schuldenbremse und ohne Steuererhöhungen. Wie das finanzierbar wird, haben die Ampel-Parteien noch nicht skizziert, sie versichern aber unisono, dass es Lösungen dafür geben werde.

Wie diese Lösungen aussehen sollen – darüber haben die drei Parteien grundlegend unterschiedliche Ansichten. SPD und Grüne sind der Meinung, sie könnten öffentliche Unternehmen wie die Bahn oder die Förderbank KfW anstelle des Bundes aktiv werden lassen. Die Unternehmen sollen sich am Kapitalmarkt verschulden, um das Geld dann entweder selbst in neue Schienenwege oder in Schulen zu investieren oder um es an Dritte weiterzugeben, die die Investitionen übernehmen. Die Schuldenbremse, so sind Grüne und SPD überzeugt, werde dadurch nicht tangiert.

„Bei der Schuldenbremse werden wir selbstverständlich die vom Gesetzgeber beschlossenen Verschuldungsgrenzen einhalten“, sagte der Grünen-Politiker Sven Giegold, der Mitglied im Sondierungsteam seiner Partei war. „Der Gesetzgeber unterscheidet aber zwischen dem Staat und öffentlichen Unternehmen. So hat etwa die Bahn hohe Schulden oder die KfW begibt Anleihen. Daher gibt es hier einen Raum für zusätzliche kreditfinanzierte Investitionen durch diese oder andere öffentliche Unternehmen“, sagte Giegold. „Auch die KfW kann öffentliche Akteure bei Investitionen in Digitalisierung und Klimaschutz unterstützen.“ Es gebe in Deutschland „eine Neigung, Dinge für neu zu halten, die längst Realität in europäischem Recht sind. Diese seit langem geltenden Regeln im EU-Recht und bei der deutschen Schuldenbremse tragen übrigens die Handschrift des CDU-Finanzministers Wolfgang Schäuble, der bei öffentlichen Unternehmen ganz bewusst Spielräume gelassen hat.“

Auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte durchblicken lassen, dass für ihn die Option der Kreditfinanzierung von Investitionen über öffentliche Unternehmen eine Option ist. Scholz sagte kürzlich mit Blick auf die bereits bestehenden öffentlichen Einrichtungen, diese müssten „in den Rahmen der Handlungsmöglichkeiten mit einbezogen werden“. Im Finanzministerium hatte Scholz die Möglichkeiten zusätzlicher Verschuldung bereits während der ausgehenden Legislaturperiode prüfen lassen. Er hatte sie in der Koalition mit der Union allerdings nie auf den Tisch gelegt.

Ob die FDP den Weg mitgehen würde, ist allerdings fraglich. „Es wird keine Umgehung der Schuldenbremse geben, in welcher Form auch immer. So ist es im Sondierungspapier festgehalten“, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki unserer Redaktion. „Ich finde, dass wir den Ton der Sondierungen beibehalten und eventuelle programmatische Diskussionen intern besprechen sollten“, erklärte das Mitglied der FDP-Sondierungsgruppe. „Seien Sie versichert, dass es am Ende ausreichend Finanzierungsvorschläge für unsere Vorhaben geben wird. Wir brauchen eine solide Haushaltspolitik und mehr Kreativität in der Diskussion, die wir dann intern führen. Außerdem sind 90 Prozent aller Investitionen private Investitionen. Diese zu stimulieren haben wir uns gemeinsam im Sondierungspapier vorgenommen.“

Nach dem Willen der FDP sollen die notwendigen Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung vor allem von privaten Unternehmen kommen. Der Staat soll diese Investitionen durch hohe steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten stimulieren. Dieser Punkt ist auch bereits im Sondierungspapier enthalten. Damit dürften sich SPD und Grüne aber nicht allein zufrieden geben. Eine offene Frage ist, ob sie mit dem potenziellen Finanzminister Lindner über die Wege zur staatlichen Kreditfinanzierung inoffizielle Absprachen bereits getroffen haben. Die Union jedenfalls dürfte gegen jede Form der Umgehung der Schuldenbremse Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einlegen.

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