Außenministerin Baerbock auf Antrittsbesuch in den USA Noch kein Sturm über dem Atlantik

Annalena Baerbocks erster Fußabdruck in den USA. Die deutsche Außenministerin betont bei ihrem Antrittsbesuch in Washington den Wert des transatlantischen Verhältnisses und kündigt Russland eine klare gemeinsame Haltung im Ukraine-Konflikt an

 Treffen unter Freunden: US-Außenminister Antony Blinken und die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock haben sich bereits im Kreise der G7 kennengelernt.

Treffen unter Freunden: US-Außenminister Antony Blinken und die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock haben sich bereits im Kreise der G7 kennengelernt.

Foto: dpa/Olivier Douliery

Frühmorgens hin, nachts zurück. Dazwischen liegen 26 Stunden, zwei Atlantik-Überquerungen und ein Aufschlag mit Ansage in Washington D.C. Als Deutschland noch schläft, hat Annalena Baerbock den Partnern auf der anderen Seite des Atlantiks schon einmal eine Solidaritätsadresse zukommen lassen. Man kann ja nie wissen: „Je schwieriger die Zeiten, desto wichtiger sind starke Partnerschaften – und als Europäer haben wir keinen stärkeren Partner als die USA.“ Mit ihrer Reise in die US-amerikanische Hauptstadt wolle sie gerade deutlich machen, welche hohe Bedeutung die transatlantischen Beziehungen auch für die neue Bundesregierung hätten. Vor allem: Panzer und Raketen seien nicht zuallererst die Stärke der transatlantischen Allianz, sondern gemeinsame Werte und Grundnormen des Völkerrechts.

Wenn US-Präsident Joe Biden am Donnerstag an den Tag vor einem Jahr erinnert, als die Welt fassungslos die Bilder verfolgte, wie Anhänger des abgewählten Präsidenten Donald Trump das Kapitol stürmten, ist Baerbock schon wieder zurück in Deutschland. Doch sie sei einen Tag vor diesem ersten Jahrestag nicht nur als Außenministerin nach Washington gereist, sondern „auch als überzeugte Demokratin und Parlamentarierin“, betont die Grünen-Politikerin. EU und G7 seien sich einig in dem Ziel, „Demokratien zu stärken und sie widerstandsfähiger gegen Bedrohungen von innen und von außen zu machen.

Eigentlich wollte Baerbock noch weiter zu einer Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages nach New York. Doch die Konferenz wurde wegen hoch ansteckenden Omikron-Variante des Corona-Virus verschoben. Baerbock hatte erst kurz vor Weihnachten beim Treffen von Staaten der sogenannten „Stockholm-Initiative“, die der nuklearen Abrüstung einen neuen Schub verleihen wollen, eine Welt ganz ohne Atomwaffen ins Schaufenster gestellt – als Fernziel.  

Also dann rauf auf den „Hill“, wie sie in Washington sagen, wo Baerbock erstmals die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, trifft. Pelosi musste an jenem 6. Januar vor einem Jahr mitansehen, wie das Kapitol, Bastion der US-amerikanischen Demokratie, von einem Mob gestürmt wurde und Trump-Anhänger sich an ihrem Schreibtisch dreist bei der Sitzprobe fotografieren ließen. Baerbock und Pelosi reden über Demokratie und über Klimaaußenpolitik, die Baerbock als Grüne gerne federführend vom Außenamt aus steuern würde. Doch die Grünen können gegenwärtig ihren Ärger über die Klimapolitik von Bundeskanzler Olaf Scholz nur mühsam unterdrücken. Sie dürfen sich von Scholz vorgeführt fühlen, als dieser dem wahlkämpfenden französischen Präsidenten Emmanuel Macron half, Atomstrom als „nachhaltig“ zu etikettieren. Scholz bekam umgekehrt ebenfalls ein Nachhaltigkeitslabel für (russisches) Gas, das durch die Pipeline Nord Stream 2 nach Deutschland gepumpt werden soll. Die Grünen schäumen. Sie haben die Pipeline immer abgelehnt – und müssen nun trotzdem stillhalten. Wird Klimaaußenpolitik also doch vor allem aus dem Kanzleramt gesteuert?

Die großen Brocken auf internationaler Bühne kommen für Baerbock aber erst noch. Mit einem Kaliber wie dem russischen Langzeit-Außenminister Sergej Lawrow hat die deutsche Chefdiplomatin bislang nur telefoniert. Bislang noch kein hartes Gespräch Auge in Auge, was Baerbock aber zweifelsohne noch bevorsteht. Dann kann sie sagen, was sie vom Landraub der Krim hält, von Militäraufmärschen nahe der Grenze zur Ukraine, von der Unterdrückung von Oppositionellen, von der Unterstützung Russlands für den syrischen Machthaber Baschar al-Assad, von russischer Einmischung in den Bürgerkrieg in Libyen. Der Antrittsbesuch in Washington kommt da einer Art Warmlaufen bei Freunden gleich. Ihren Amtskollegen Antony Blinken hatte sie schon beim Treffen der G7-Außenminister im Dezember in Liverpool kennengelernt. Jetzt tauschen sich die beiden erneut über die Krise zwischen der Großmacht Russland und dem kleinen Nachbarn Ukraine aus, die nach Europa strebt und gerne Mitglied der Nato werden würde. Doch die Allianz kann die Ukraine wohl nie aufnehmen kann, sonst wäre das nächste Zerwürfnis mit Russland perfekt.

CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen appelliert schon mal an Baerbock, mit Blick auf den Russland-Ukraine-Konflikt eine eigene Verhandlungsmacht von Europa aufzubauen und die Lösung solcher Krisen nicht alleine den USA und Russland zu überlassen. Röttgen sagte unserer Redaktion: „Obwohl es sich um eine europäische Krise handelt, wird der Konflikt um die Ukraine zurzeit ausschließlich zwischen Russland und den USA verhandelt. Dieser Zustand wird sich nur ändern, wenn Europa eine eigene Verhandlungsmacht aufbaut und diese in den Konflikt einbringt.“ Röttgen sieht Deutschland im transatlantischen Verhältnis zudem stärker gefordert: „Die USA haben die klare Erwartung an Deutschland, dass es zu einer einheitlichen europäischen Position bei Nord Stream 2 und damit zur Abschreckung Russlands beiträgt. Die Souveränität und Bündnisfreiheit europäischer Staaten dürfen nicht zur Debatte stehen.“

Baerbock und Scholz waren nun beide in Washington. Koch und Kellner? Die Außenministerin will sich da auf nichts einlassen. Sehr allgemein betonte sie unlängst: „Eine starke deutsche Außenpolitik bedeutet natürlich, dass man mit einer Stimme spricht.“ Die Stimme der Ampel. Es kommt auf die Klangfarbe an.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort