Bundesversammlung Bundespräsident Steinmeier wiedergewählt: „Unterschätzen Sie nicht die Macht der Demokratie“

Berlin · Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden. Zum Antritt hält er eine starke und klare Rede. Wie die Bundesversammlung reagierte und wie der Tag im Paul-Löbe-Haus ablief.

 Der neue und alte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Der neue und alte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Foto: AP/Michael Probst

Um kurz vor halb drei am Sonntagnachmittag umarmt sich in Berlin-Mitte ein Paar. Elke Büdenbender springt auf und drückt ihren Mann Frank-Walter Steinmeier, den alten und neuen Bundespräsidenten. Der 66 Jahre alte ehemalige deutsche Außenminister und Vizekanzler ist von der Bundesversammlung für eine zweite Amtszeit gewählt worden.

Steinmeier freut sich sichtlich, atmet tief durch, winkt von der Tribüne im Paul-Löbe-Haus. Der Beifall für ihn ist groß, sein Ergebnis im ersten Wahlgang souverän. Das neue Staatsoberhaupt muss dann einen langen Weg zurücklegen, bevor er ans Rednerpult gelangt, um seine Antrittsrede zu halten. Die Delegierten, 1437 haben ihre Stimmen abgegeben, erheben sich zu Standing Ovations.  Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), die die Bundesversammlung an diesem 13. Februar leitet, kommentiert lächelnd, die Wartezeit „erhöhe den Spannungsbogen“.

Am Rednerpult angekommen hält Steinmeier eine starke und leidenschaftliche Rede, in der er seine Motivation für eine zweite Amtszeit darlegt und sehr klare Worte in der schwelenden Ukraine-Krise gegenüber Russland findet. „Überparteilich, ja – aber ich bin nicht neutral, wenn es um die Sache der Demokratie geht. Wer für die Demokratie streitet, hat mich an seiner Seite. Wer sie angreift, wird mich als Gegner haben!“, betont er zu Beginn. Die Demokratie stärken und verteidigen – das ist und bleibt seine Mission.

An die Adresse des russischen Präsidenten Wladimir Putins gewandt sagt Steinmeier deutlich: „Nicht diskutieren kann man dies: Wir sind inmitten der Gefahr eines militärischen Konflikts, eines Krieges in Osteuropa. Dafür trägt Russland die Verantwortung!“. Und weiter: „Ich appelliere an Präsident Putin: Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine! Und suchen Sie mit uns einen Weg, der Frieden in Europa bewahrt!“ Auch bekennt er sich klar zur Bündnisverpflichtung Deutschlands in Nato und EU. Das Plenum begleitet seine Rede mit starkem Beifall.

„Der richtige Präsident genau zur richtigen Zeit“, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kurze Zeit später zum Ende der Bundesversammlung. Die in schwerer Zeit in würdiger Atmosphäre ablief, trotz umfangreicher Corona- Schutzmaßnahmen.

Um 11.58 Uhr am Mittag legt die alte und neue First Lady Elke Büdenbender ihren Mantel ab und nimmt mit ihrem Ehemann im ersten Stock des Paul-Löbe-Hauses Platz. Gegen Steinmeier kandidieren für die Linke der Mediziner Gerhard Trabert und für die AfD der Ökonom Max Otte, der Mitglied der CDU ist. Außerdem haben die Freien Wähler die Physikerin Stefanie Gebauer  ins Rennen geschickt. Otte ist lange Zeit und auch kurz nach Beginn der Versammlung nicht an seinem Platz zu sehen, ein Interview dauert wohl länger als geplant.

 German President Frank-Walter Steinmeier receives flowers from German Chancellor Olaf Scholz after being re-elected by the Federal Assembly, at the Bundestag building Paul Loebe Haus in Berlin, Germany February 13, 2022. (Michele Tantussi/Pool via AP)

German President Frank-Walter Steinmeier receives flowers from German Chancellor Olaf Scholz after being re-elected by the Federal Assembly, at the Bundestag building Paul Loebe Haus in Berlin, Germany February 13, 2022. (Michele Tantussi/Pool via AP)

Foto: AP/MICHELE TANTUSSI

Unten im Erdgeschoss des Paul-Löbe-Hauses ist Ex-Kanzlerin Angela Merkel ins Gespräch mit dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz und dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder vertieft. Sie ist überhaupt eine sehr begehrte Gesprächs- und Selfiepartnerin an diesem Tag – parteiübergreifend. Bundestagspräsidentin Bas begrüßt sie dann auch namentlich stellvertretend für alle Mitglieder der Bundesversammlung. Bundeskanzler Scholz, der aufgrund der Situation in der Ukraine einer Weltkrise managen muss, tippt noch schnell Nachrichten in sein Handy.

Zur Wahl des Bundespräsidenten versammeln sich die Delegierten wegen der Corona-Pandemie dieses Mal nicht im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes, sondern im benachbarten Paul-Löbe-Haus, wo auf fünf Stockwerken mit zahlreichen Sitzungssälen mehr Platz ist. Allesamt mit FFP2-Masken.

Unter Corona-Bedingungen eine solche Wahl abzuhalten, war für das Bundestags-Management eine besondere Herausforderung – alle, die an diesem Tag in das Paul-Löbe-Haus oder den Bundestag kommen, werden getestet. 14 Teststrecken gibt es in großen, weißen Zelten vor dem Bundestag, mehr als 2000 Tests wurden durchgeführt, zwölf positive Ergebnisse gab es bis zum Morgen zu vermelden. Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alexander Gauland, kommt nicht bis zum Paul-Löbe-Haus. Sein Corona-Testnachweis wird nicht anerkannt. Der nicht-offizielle Spucktest gilt nicht. Noch vier weiteren AfD-Delegierten geht es so.

Auf der Liste der Delegierten stehen an diesem Tag nicht nur Politiker, sondern auch Prominente wie Bundestrainer Hansi Flick, Fußballer Leon Goretzka oder Musiker Roland Kaiser und Wissenschaftler wie Astronaut Alexander Gerst, Virologe Christian Drosten und die Biontech-Mitgründerin und Impfstoff-Entwicklerin Özlem Türeci. Sie alle sind gekommen, um ihre Stimme abzugeben.

  Bas ruft zu Beginn der Versammlung  zu gesellschaftlichem Zusammenhalt auf. Mit Blick auf die Corona-Pandemie sagt sie: „Polarisierung gab es in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder. In dieser Krise scheint unserer Gesellschaft aber viel Verbindendes verloren zu gehen.“ Viele Menschen trauten der Politik und den staatlichen Institutionen wenig zu. „Sie fühlen sich ohnmächtig.“ Sie selbst wolle Mut machen: „Machen wir uns klar, dass Furcht nicht weiterhilft. Stellen wir uns der Zukunft. Lassen wir uns nicht einreden, dass wir die anstehenden Probleme nicht lösen können.“

German rapper Reyhan Sahin (R), also known as Lady Bitch Ray, wearing a bag with the hashtag 'no AFD', speaks with German Chancellor Olaf Scholz (L) as she attends the assembly of the Federal Convention on February 13, 2022 at the Paul-Loebe-Haus parliamentary building in Berlin, prior to the election of Germany's President. - German President Steinmeier is poised to be re-elected for a second straight term, after gaining a reputation as a tireless defender of democratic values at a time when resurging far-right extremism and the coronavirus pandemic were putting them to the test. The president is voted for by the Federal Convention, a one-off assembly made up of MPs and an equal number of state delegates, taking the total number close to 1,500. (Photo by jens schlueter / AFP)

German rapper Reyhan Sahin (R), also known as Lady Bitch Ray, wearing a bag with the hashtag 'no AFD', speaks with German Chancellor Olaf Scholz (L) as she attends the assembly of the Federal Convention on February 13, 2022 at the Paul-Loebe-Haus parliamentary building in Berlin, prior to the election of Germany's President. - German President Steinmeier is poised to be re-elected for a second straight term, after gaining a reputation as a tireless defender of democratic values at a time when resurging far-right extremism and the coronavirus pandemic were putting them to the test. The president is voted for by the Federal Convention, a one-off assembly made up of MPs and an equal number of state delegates, taking the total number close to 1,500. (Photo by jens schlueter / AFP)

Foto: AFP/JENS SCHLUETER

Die Bundesversammlung jedenfalls hat Mut gemacht, lautet das Urteil vieler Anwesender, auch aus dem rechten und sehr linken Spektrum. Den Mut, den es braucht, um die Anfeindungen der Demokratie zu überstehen. Die von außen – aber auch die im Inneren.

(mün)
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