Steinmeier zu Besuch in Israel „Ein echter Freund Israels“

Jerusalem · Schon im Mai vergangenen Jahres wollte Bundespräsident Steinmeier zum Staatsbesuch nach Israel reisen. Das verhinderte die Corona-Pandemie. Nun hat er den Staatsbesuch nachgeholt. Es ist eine Reise in unruhigen Zeiten.

 01.07.2021, Israel, Jerusalem: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (l) und Reuven Rivlin, Staatspräsident von Israel, umarmen sich nach einer Pressekonferenz. Der Bundespräsident hält sich zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Israel auf. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

01.07.2021, Israel, Jerusalem: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (l) und Reuven Rivlin, Staatspräsident von Israel, umarmen sich nach einer Pressekonferenz. Der Bundespräsident hält sich zu einem dreitägigen Staatsbesuch in Israel auf. Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Es wird plötzlich ganz still in der Hanassi Street 1 in Jerusalem an diesem Donnerstagmorgen. Dann erklingen die deutsche und die israelische Nationalhymne – und noch immer erscheint es angesichts der Schrecken des Holocausts wie ein Wunder, dass einen kurzen Moment später der israelische und der deutsche Präsident nebeneinander den roten Teppich entlang schreiten. Kurz zuvor hatte Reuven Rivlin seinen deutschen Gast Frank-Walter Steinmeier vor seinem Amtssitz auf das herzlichste begrüßt.

Rivlin macht die Besonderheit der Situation in seiner Begrüßungsrede deutlich. Er sei glücklich, Steinmeier willkommen heißen zu dürfen. „Einen Freund von mir, einen echten Freund.“ Er habe an dieser Stelle als junger Mann gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Deutschland demonstriert. „Doch jetzt sind unsere Gesichter der Zukunft zugewandt.“ Gemeinsam gelobe man, die Vergangenheit nicht zu vergessen, den Hass aber nicht siegen zu lassen.

Es sei von großer symbolischer Bedeutung, dass der deutsche Präsident das letzte Staatsoberhaupt sei, das er empfange, betont Rivlin, der in wenigen Tagen seinen Amtssitz verlassen wird. Deutschland unter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sei ein wichtiger Partner im Kampf gegen Antisemitismus gewesen. Die heutige enge Zusammenarbeit beider Länder auch in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft sei „eine Bestätigung dafür, dass die Beziehungen zwischen Völkern auf persönlichen Treffen und Kennenlernen aufbauen“.

Der deutsche Bundespräsident zu Staatsbesuch in Israel: Es sind Besuche mit besonderen Vorzeichen. Auch diesmal gibt es das bei solchen Anlässen übliche Programm wie die Begrüßung mit militärischen Ehren, Gespräche, Kranzniederlegung und Staatsbankett. Und doch war es Steinmeier ein großes Anliegen, den für das letzte Jahr bereits geplanten Staatsbesuch nachzuholen. Steinmeier und Rivlin hielten auch während der Corona-Pandemie engen persönlichen Kontakt. Rivlin erinnert dann auch daran, dass er Steinmeiers Frau, Elke Büdenbender, gerne in Jerusalem begrüßt hätte. Diese musste jedoch wegen eines Bruch des Mittelfußes zuhause bleiben.

Das Treffen erfolge nun in einer Zeit des Aufatmens dank des erfolgreichen Kampfes gegen das Coronavirus, sagt der Bundespräsident. Gleichzeitig sei es eine Zeit des politischen Aufbruchs durch eine neue Regierung in Israel. Deutschland schaue mit Interesse auf die Acht-Parteien-Koalition unter der Führung von Ministerpräsident Naftali Bennett, der es „vielleicht sogar besser“ gelingen könne, die herrschenden Polarisierungen zu überwinden. Im Moment gehe es vor alle darum, „ein Mindestmaß an Vertrauen zwischen der neuen israelischen Führung und der palästinensischen Seite aufzubauen“.

Steinmeier fährt fort: Die jüngsten Eskalationen zwischen der Hamas im Gazastreifen und Israel hätten gezeigt, „dass der israelisch-palästinensische Konflikt keineswegs beruhigt ist“. Am Ende werde es nicht ohne eine politische Lösung gehen. „Alternativen zur Zwei-Staaten-Lösung habe ich noch nicht so recht gehört in der Gegenwart“, sagt der Bundespräsident. Der Weg zur Wiederaufnahme direkter Gespräche zwischen den Konfliktparteien müsse über kleine Schritte der Zusammenarbeit führen.

Das vergangene Jahr hat auch die deutsch-israelischen Beziehungen nicht einfacher gemacht. Als sich im Mai Israel und militante Palästinenser im Gazastreifen einen elftägigen militärischen Konflikt mit vielen Opfern lieferten, riefen Demonstranten in deutschen Städten antisemitische Parolen. Israelische Flaggen brannten. Die Polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnet einen Anstieg judenfeindlicher Straftaten. Der Anschlag in Halle im Oktober 2019, dem zwei Menschen zum Opfer fielen, war der Versuch eines Rechtsextremisten, einen Massenmord an Juden zu begehen.

Für Deutsche dürfe es „niemals zum leeren Ritual werden“, an den Holocaust zu erinnern, den Antisemitismus zu bekämpfen und an der Seite Israels zu stehen, betont der Bundespräsident. Juden würde heute auf deutschen Straßen und überall auf der Welt beinahe täglich angegriffen, „oft schon deshalb, weil sie einen Davidstern oder eine Kippa tragen“.

In Israel raunt man, dass auch die scheidende Kanzlerin noch einmal einen Besuch in das Land unternehmen werde. Und auch über Steinmeiers Besuch liegt ein Hauch des Abschieds - ungewiss, ob er nach der Bundestagswahl für eine zweite Amtszeit noch einmal eine Mehrheit in der Bundesversammlung bekommt. Seine frühe Ankündigung, dafür bereit zu stehen, stieß vor allem in den Reihen der Union nicht auf viel Verständnis. Man werde sich nach einer eigenen Kandidatin umschauen, heißt es in CDU-Kreisen bei dem Thema schon seit einigen Wochen.

Der 65 Jahre alte Bundespräsident jedenfalls findet in Israel klare Worte als er an die sechs Millionen jüdischen Holocaust-Opfer erinnert: ­­­„Atmende, fühlende Menschen, die voller Leben waren und eine ganze Kultur bewahrten – bis meine deutschen Vorväter kamen, ihre Häuser niederbrannten und sie zu Millionen ums Leben brachten.“

Diese Sätze hallen nach als Steinmeier in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem einen Kranz niederlegt. In seinem Eintrag in das Gästebuch heißt es: „Aus der deutschen Verantwortung für die Shoah verpflichten wir uns: Nie wieder!“

(mün)
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