Ende der Gratis-Schnelltests Bundesregierung verteidigt neue Corona-Maßnahmen im Herbst

Berlin · Noch sind in vielen Bundesländern Ferien, doch das Bundesgesundheitsministerium nimmt schon den Herbst und Winter in den Blick. Wie weit müssen Corona-Auflagen dann noch gehen? Einige Vorschläge haben es in sich, die FDP wirft der Regierung Wortbruch vor.

Helfer testen eine Frau mit einem PoC-Schnelltest auf das neuartige Coronavirus.

Helfer testen eine Frau mit einem PoC-Schnelltest auf das neuartige Coronavirus.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Die Bundesregierung will bei den Beratungen mit den Ländern in der kommenden Woche mögliche Maßnahmen gegen eine neue größere Corona-Welle im Herbst und Winter festlegen. Die steigenden Infektionszahlen seien „eine Warnung“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch im Berlin. Der Umgang damit solle in der Runde von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten am Dienstag abschließend behandelt werden.

„Unser aller Ziel muss es ja sein, einen weiteren harten Lockdown zu verhindern“, sagte Demmer. Ein Bericht des Gesundheitsministeriums mit Vorschlägen sei „eine Diskussionsgrundlage“ für die Beratungen der Bund-Länder-Runde.

In dem Bericht heißt es, im Herbst und Winter brauche es weiterhin Maßnahmen, um das Gesundheitswesen vor Überlastung und Gruppen, die noch nicht geimpft werden können, zu schützen. Schutzmaßnahmen könnten wegen der fortgeschrittenen Impfkampagne moderater ausfallen als im vergangenen Herbst und Winter. Genannt wird unter anderem die Notwendigkeit einer weiteren Maskenpflicht „bis ins Frühjahr 2022“ im öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie im Einzelhandel - „für alle, auch für Geimpfte und Genesene“.

Unabhängig von der Inzidenz sollte ab Anfang/Mitte September die Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen „generell nur unter Einhaltung der 3G-Regel (3G: geimpft, genesen oder getestet) möglich sein“, heißt es in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Bericht, der an den Bundestag und die Länder gesandt wurde. Genannt werden etwa Innengastronomie, körpernahe Dienstleistungen, Veranstaltungen drinnen sowie Großveranstaltungen drinnen und draußen.

Insbesondere für Ungeimpfte könnten abhängig von der Impfquote, der Inzidenz und der Rate schwerer Klinikfälle ab bestimmten Grenzwerten erneut weitergehende Einschränkungen notwendig werden. Dazu zählten insbesondere Kontaktbeschränkungen sowie die Begrenzung der Teilnahme oder der Ausschluss von der Teilnahme nicht geimpfter Personen an Veranstaltungen und in der Gastronomie („2G statt 3G“).

FDP-Parteivize Wolfgang Kubicki sagte dazu: „Die Ankündigung, in Zukunft Ungeimpfte vom Gastronomiebesuch ausschließen zu wollen, ist der dreisteste und verheerendste Wortbruch dieser Bundesregierung, die wiederholt Stein und Bein geschworen hat, es werde keine Impfpflicht in Deutschland geben.“

Das Bundesgesundheitsministerium schlug für Mitte Oktober zudem ein Ende der kostenlosen Corona-Schnelltests für alle Bürger vor. Da mittlerweile jedem ein unmittelbares Impfangebot gemacht werden könne, sei eine dauerhafte Kostenübernahme durch den Steuerzahler nicht angezeigt, heißt es in einem Ministeriumsbericht. Daher werde vorgeschlagen, dass der Bund das Angebot kostenloser Bürgertests für alle Mitte Oktober beendet - etwa zum 11. oder zum 18. Oktober. Nur für Personen, die nicht geimpft werden können oder für die keine allgemeine Impfempfehlung vorliege, wie Schwangere oder Kinder und Jugendliche, solle es weiterhin kostenlose Schnelltests geben.

Die Apotheker in Deutschland rechnen in dem Zusammenhang mit einer steigenden Impfbereitschaft. „Die Ankündigung, dass die Schnelltests ab einem bestimmten Zeitpunkt für Impfzauderer und Impfverweigerer kostenpflichtig werden sollen, könnte die Impfbereitschaft bei den Unentschlossenen tatsächlich erhöhen – und das ist gut so“, sagte der Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), Thomas Benkert. Die Impfung sei das „beste Mittel gegen die Pandemie“ und deshalb sollten sich „schnellstmöglich“ alle Menschen impfen lassen. Viele Apotheken würden die Schnelltests freiwillig anbieten, um den gesellschaftlichen Kampf gegen die Pandemie zu unterstützen. „Die Nachfrage nach den Schnelltests lässt derzeit allein schon aufgrund steigender Durchimpfungsraten nach“, so Benkert. Zugleich forderte er, die Gratis-Test für jene Personen beizubehalten, bei denen eine Impfung nicht möglich sei. „Für diejenigen Bevölkerungsgruppen, für die kein Impfstoff zugelassen ist oder die sich aus individuellen medizinischen Gründen nicht impfen lassen dürfen, muss jedoch gesichert sein, dass auch weiterhin kostenlose Schnelltests flächendeckend zur Verfügung stehen und erstattet werden“, betonte der BAK-Präsident.

Der Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, Jan Korte, kritisierte das Vorgehen der Bundesregierung scharf. Impfungen hemmten die Verbreitung des Virus und seien ein solidarischer Akt gegenüber Mitmenschen, „die nicht geimpft werden können. Letztere sind aber auch darauf angewiesen, dass Infektionen schnell erkannt werden und sich nicht ausbreiten können“, so der Linke. Es wäre deshalb fatal, so sagte Korte unserer Redaktion, „wenn die Bundesregierung sich jetzt aus der Verantwortung stiehlt und Testangebote zurückzieht“.

Auch der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, warnte die Bundesregierung vor den sozialen Folgen ihrer Entscheidung. Was auch immer beschlossen werde, „für uns als Wohlfahrtsverband ist wichtig, dass all diejenigen, die sich nicht testen lassen können und für die keine Impfempfehlung der STIKO vorliegt, weiterhin kostenlose Corona-Tests bekommen müssen", so Schneider zu unserer Redaktion.

Unterdessen teilte das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage mit, dass sich die Ausgaben des Bundes für die Gratis-Bürgertests im laufenden Jahr auf bislang mehr als drei Milliarden Euro belaufen. Enthalten sind nach Angaben des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS) Leistungen der Labordiagnostik in Höhe von 782 Millionen Euro, 1,084 Milliarden Euro Sachkosten für die Antigen-Schnelltests (PoC-Verfahren) und weitere Leistungen gemäß der Testverordnung in Höhe von knapp 1,75 Milliarden Euro, worunter die Abstrichnahmen. Zusätzlich zahlte der Bund bislang in 2021 74 Millionen Euro für Tests in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Obdachlosenunterkünften.

(mit dpa)
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